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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Alexandra zu bemerken, die sich lautlos wieder zurückzog, selbst tränenüberströmt. Und dazwischen: Wenzel … Wenzel … Wenzel … sein Lächeln, die Art, wie er die Augenbraue hochzog, genau wie sein Vater, das Blitzen in seinen Augen, als sich ihre Beine um ihn geschlungen hatten und sie hervorgestoßen hatte: Noch … noch … gleich … gleich …!, während sie schon gespürt hatte, dass eine tosende Brandung ihre Seele davontrug und ihr Leib in Hitze und Kälte gleichermaßen verging.
    Nichts war es wert, dass Wenzel dafür auf den dreckigen Stufen einer verkommenen Kirche in einem von Gott verlassenen Nest niedergeschossen wurde wie ein Hund.
    Nichts war es wert, dass Wenzel dafür getötet worden war.
    Nicht einmal die Sicherheit ihrer eigenen Familie?
    Klarer denn je erkannte sie, was für einen schrecklichen Fehler sie gemacht hatte, Wenzel über die wahre Herkunft Mikus anzulügen.
    So viele Möglichkeiten … und jede einzelne davon vertan, verpasst, ignoriert …
    Klarer denn je erkannte sie auch, dass sie Wenzel liebte und dass sie ihn schon immer geliebt hatte.
    Ein einzelner Schuss peitschte durch die Nacht und hallte ihr hinterher, ein Schuss, der vor dem Kirchenportal auf jemanden abgefeuert worden war, der sich noch in letzten Zuckungen geregt haben musste.
    Das Echo des Knalls zerstörte den letzten Rest von Selbstbeherrschung, die Alexandra aufrechtzuerhalten versucht hatte.
    Das Pferd galoppierte in die Nacht jenseits der zerstörtenStadtmauer Grafenwöhrs hinaus, auf seinem Rücken ein heulendes Bündel Mensch, das sich selbst den Tod wünschte und sich gleichzeitig am Leben festklammerte, weil es noch eine Aufgabe zu erfüllen hatte.

20.
    Der Steinerne Johannes kehrte keuchend aus der Gasse zurück, in die er Alexandra vergeblich hinterhergelaufen war. Er stapfte die paar Stufen zum Kirchenportal hinauf. Seine Augen wanderten von einem zum anderen, die Lippen formten unhörbare Worte, die Hände öffneten und schlossen sich. Seit Atem pfiff. Seine Männer traten einen Schritt zurück; man wusste nie, was geschah, wenn ihr Hauptmann sich in diesem Stadium befand. Selbst die beiden nackten Knaben hatten aufgehört zu schluchzen und sich neben den geschändeten Körpern ihrer Eltern zusammengedrängt.
    Vor dem Leichnam des Obermönchs blieb Johannes stehen und starrte darauf hinab. Die Männer fuhren damit fort, ihre Waffen nachzuladen. Sie wussten, was kommen würde. Sie hatten es mehrfach gesehen, wenn jemand Johannes eine echte oder vermeintliche Niederlage zugefügt hatte. Die Sauerei, die nachher auf den Stufen der Kirche zu finden sein würde, würde auch von hundert Tagen Platzregen nicht abgewaschen werden. Die Mönche, die überlebt hatten und mit Rapieren an ihren Kehlen zum Stillhalten gezwungen wurden, würden als Nächste dran sein. Johannes holte mit dem Fuß aus, um dem Leichnam vor ihm einen Tritt zu versetzen.
    Der tote Obermönch hob den Kopf, streifte die zerfetzte Kapuze zurück, und die dunkle Lache, in der er gelegen hatte, wurde plötzlich zu dem, was sie in Wirklichkeit war, nämlich Schatten und seine nachtschwarze Kutte, und er sagte: »Was für eine Verschwendung wertvoller Geiseln.«
    Johannes’ Stiefel schwebte in der Luft über dem Gesicht des Mönchs. Die Männer gafften. Der tote Mönch sagte: »Offenbar hat deine Unverwundbarkeit auf mich abgefärbt. Ich hab das Ding so nah an meinem Ohr vorbeifliegen hören.«
    Die Augen Johannes’ quollen heraus. »Was sagst du da?«, stöhnte er. »Was sagst du da?«
    »Welchen Teil hast du nicht verstanden?«, fragte der Mönch liebenswürdig zurück.
    »Aaaaaah!« Johannes holte mit dem Fuß aus. »Ich bring dich um!«
    Der Stiefel zuckte nach vorn und hielt kurz vor dem Gesicht des Mönchs inne. Fassungslos erkannten die Männer, dass Johannes’ Fußgelenk in der Faust des Mönchs steckte. Über das Gesicht ihres Anführers irrlichterten Fratzen, die sie noch nie zuvor darauf gesehen hatten.
    »Lösegeld«, sagte Wenzel. »Das willst du doch nicht verschenken.«
    Einer der Männer, der seine Muskete schon geladen hatte, sprang an Johannes’ Seite, legte auf den Kopf des Obermönchs an und drückte den Abzug. Die anderen wandten die Köpfe ab; jeder von ihnen wusste, wie ekelhaft Gehirnmasse war, die einem aus dieser Entfernung ins Gesicht spritzte. Als das Echo des Knalls durch die Gassen flatterte und sie sich wieder dem Tableau vor dem Kirchenportal zuwandten, lag der qualmende Lauf der Muskete in Johannes’

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