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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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als könnte er ein Pferd allein verspeisen. Als er die Handschuhe auszog und seine Hände betrachtete, sah er sie zittern. Er hatte den Gedanken, dass sie den Ausfall nicht nur überlebt, sondern mit einem derartig grandiosen Erfolg abgeschlossen hatten, noch gar nicht zur Gänze an sich herangelassen; er schob ihn weiter auf. Erst musste der Kampf um Prag geschlagen werden, um festzustellen, wer am Ende der Sieger war.
    Er polterte ins Erdgeschoss hinab und platzte in die Küche. Die Mägde knicksten mit geröteten Wangen.
    »Sagt mir, dass ihr was zu essen habt!«, brachte er hervor. Sie kicherten, dann fielen sie übereinander in ihrem Bemühen, ihm Würste und Brotscheiben aufzudrängen. Kurz befiel Melchior ein schlechtes Gewissen; wenn die Stadt belagert würde, würden sie später jeden einzelnen Bissen brauchen, und die Armen hungerten wahrscheinlich schon jetzt. Aber bis dahin würden diese Würste und dieses Brot verdorben sein! Er biss hinein und verschluckte sich, als Andreas hereinstürmte. Wie es schien, hatte er sich wieder gefangen. Er starrte von Melchiors Gesicht zu den Würsten in seinen Händen, dann griff er zu, riss ein paar davon ab und stopfte sie sich in den Mund. Seine Augen begannen zu tränen.
    »Guten Appetit, Bruderherz«, sagte Melchior.
    Andreas würgte, dann schluckte er den Brocken herunter. Melchior fiel jetzt erst auf, dass sein Bruder noch immerseine verschmutzte Kleidung und die Stiefel trug. Er deutete fragend darauf.
    »Wir müssen sofort los«, sagte Andreas und nahm ihm die Würste weg. »Essen können wir später auch noch. Ich muss Colloredo etwas mitteilen.«
    »Was? Sag es mir, dann kannst du hier …«
    »Das ist meine Stadt«, sagte Andreas. »Wenn es darum geht, sie zu verteidigen, will ich vorn mit dabei sein und wissen, was passiert. Kommst du jetzt, oder willst du in meiner Küche stehen bleiben und meine Würste fressen, während wir anderen Königsmarck in die Flucht schlagen?«
    »Das sind zur Hälfte meine Küche und meine Würste«, hörte Melchior sich sagen.
    Andreas packte Melchiors Hut und stülpte ihm das zerknautschte Ding auf den Kopf. »Beeil dich.«
    Melchior folgte seinem Bruder aus der Küche hinaus und vor das Haus. Ein Stallknecht hielt zwei frische Pferde bereit. Karina stand in der Gasse, auch sie noch so zerzaust, wie sie angekommen waren. Sie strich Melchior über die Wange. Dann umarmte sie Andreas und küsste ihn. »Kommt heil wieder, ihr beide«, flüsterte sie.
    Melchior starrte sie an, während Andreas sie ebenfalls umarmte und küsste. Ohne dass jemand ein Wort zu sagen brauchte, wusste er, dass etwas zu Ende gegangen war. Er fühlte einen Stich im Herzen, der ihm fast die Luft nahm.
    Andreas schwang sich aufs Pferd und sprengte davon, ohne auf ihn zu warten. Melchior folgte ihm, doch im Davonreiten drehte er sich noch einmal um. Karina hatte die Hand gehoben und winkte. Sie schickte ihnen eine Kusshand nach. Er erwiderte sie nicht. Er wusste, dass sie nicht ihm galt.

    »Was?«, schrie Colloredo. »Das kann nicht sein. Oberstleutnant Ottovalský ist mit seinen Männern unterwegs nach Pilsen, um die kaiserliche Garnison dort zu Hilfe zu holen.«
    »Das hat er vielleicht gesagt«, erklärte Andreas. »Tatsache ist, dass ich gesehen und gehört habe, wie er sich Königsmarck angedient hat.«
    Colloredo erblasste. Seine Augen blinzelten ratlos.
    »Wie gut kennt Ottovalský die Verteidigungsanlagen der Stadt, Herr General?«
    Colloredo zog ein Gesicht. »So gut wie Sie, Ratsherr. Was soll die Frage?«
    »Das habe ich befürchtet. Königsmarck wollte mich zwingen, ihm die Schwachstelle der Befestigung zu verraten. Ottovalský wird es freiwillig tun.«
    »Die Bresche beim Kapuzinerkloster, oben auf dem Hradschin!«, stieß Colloredo hervor. »Mein Gott, dort ist nur die kleine Besatzung des Strahover Tors postiert. Wir müssen sie verst…«
    Der Rest seines Satzes ging in plötzlichem Glockengeläut unter. Der ganze Altstädter Brückenturm schien zu erdröhnen. Sie stürzten zum Fenster. Vor den Mauern der Stadt stand eine riesige Staubwolke, und unter ihr waren die bunten Farben der Uniformen und das blitzende Metall von Waffen und Rüstungen zu sehen.
    »Das ist Wittenberg«, stieß Andreas hervor. »Gott sei uns gnädig. Ich ahne, wo sich Königsmarcks Männer befinden.«
    Colloredo bewies, dass ein alter Militär wenigstens in Krisenzeiten nützlich war. »Folgen Sie mir! Wir müssen sofort zum Strahover Tor!« Er polterte die Treppe

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