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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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entwickelt. Sie hatten seine Versalien, seine Minuskeln kopiert, unverdrossen und ohne von ihnen abzuweichen. Nun sah das Buch so aus, wie er es beabsichtigt hatte: aus einem Guss … aus einer Hand.
    Er blätterte durch die Seiten. Sie waren schwer, riesige Bogen aus Pergament. Er konnte den Text überfliegen, so gut kannte er ihn. Alles, was es zu wissen gab, alles, was gelehrte Männer irgendwann aufgeschrieben und er gelesen hatte … dazwischen das Alte und das Neue Testament, das Wort Gottes, welches das Wissen aufwog … Gleichgewicht … die Welt strebte nach dem Gleichgewicht, und er hatte es hier, in diesem Buch, das die Welt umfasste, erschaffen … Er spürte sein Herz pochen und auch den Schmerz, der seit Wochen in seinem Leib wühlte, aber er konnte ihn ignorieren. Tetelestai , dachte er: Es ist vollbracht.
    Er legte Seite um Seite um, stapelte sie mit einem Gefühl der Ehrfurcht übereinander. Die Buchbinder würden später die Pergamente an den Rändern zuschneiden, die Buchdeckel anbringen. Er hatte die Arbeit vollbracht, sie würden sie vollenden.
    Die leeren Seiten, die er bewusst frei gelassen hatte, weil danach das Sündenbekenntnis kam und er das Gefühl gehabt hatte, dass der Tat die Nicht-Tat entgegengestellt werden müsse …
    … die beiden großen Bilder, die danach kamen, ebenfalls im Gleichgewicht; selbst die, die nicht lesen konnten, würden es verstehen …
    … die Cronica Bohemorum , abgeschrieben von Cosmas von Prag …
    … die Regeln des heiligen Benedikt, die beschrieben, wie ein Mönchsorden dafür sorgen konnte, dass von ihm das Equilibrium ausging …
    Er stutzte.
    Er las den Text.
    Er starrte auf das Blatt.
    Sein Herz begann noch heftiger zu pochen, und der Schmerz in seinem Leib nahm zu, bildete Fasern aus, griff mit langen Tentakeln um sich. Er spürte, wie sich seine linke Hand verkrampfte, wie sein Arm Feuer fing. Er ächzte.
    Dieser Text stammte nicht von ihm! Wer hatte ihn geschrieben? O Gott, er nahm seine Idee auf und führte sie ad absurdum … er stellte das ganze Buch infrage … wer hatte das geschrieben? Der Teufel … der Teufel selbst musste sich unter die Schüler gemischt und einem eingegeben haben, dies zu schreiben … der Teufel hasste das Gleichgewicht!
    Der Schmerz war unerträglich, schnürte ihm die Luft ab. Er versuchte aufzustehen, aber er konnte sich nicht auf den Beinen halten. Seine ganze linke Seite schien gelähmt zu sein, schien in eisigen Flammen zu stehen. Flammen … er erinnerte sich wieder an die Brüder, die er in der brennenden Bibliothek eingeschlossen hatte, weil das Wissen sein gewesen war, seines ganz allein, weil sie es ihm wegnehmen und er es nicht hatte teilen wollen … o Herr im Himmel, und nun verbrannte er selbst in einer innerlichen Flamme … er schrie und hörte sich selbst wie durch eine dicke Wand. Das Gleichgewicht war gestört, die Aussage des Buches verdreht, seine Buße war umsonst, seine Sühne wirkungslos … er schrie und schrie, er hörte die Schritte draußen, hörte sie an den Riegeln herumhantieren … er hatte ein paar der gigantischen Pergamentbogen bei seinem Sturz vom Tisch gewischt, und einer lag direkt vor seinen Augen … eine Seite mit einem Bild, das grinsende Gesicht eines Ungeheuers … der Teufel … er fasste mit seinen erhobenen Krallen heraus und griff nach ihm …
    Er schrie!
    Er hörte sie draußen gegen die Tür hämmern, während sie mit den Riegeln kämpften.
    Er schrie.
    Er starb …

    »Sie überrennen die Schanzen …«
    Agnes hob den Kopf. Ihr ganzer Leib brannte wie Feuer. Sie vernahm das Knattern der Schüsse, aber jetzt, nachdem sie wach geworden war, hörte es sich entfernt und unwichtig an. Der Traum klammerte sich an ihr fest und sie sich an ihm. Sie hatte das Gefühl, sie brauche sich nur umzudrehen und hinter ihr stünde die spektrale Gestalt eines Mönchs, des Mannes, der vor über vierhundert Jahren das Wissen der Welt hatte niederschreiben wollen und den Schlüssel zu ihrer Vernichtung geschaffen hatte.
    Gleichgewicht , flüsterte etwas.
    Flüsterte er.
    Flüsterte er ? Hatte etwas von ihm, etwas, das hier zurückgeblieben war und die Zeiten überdauert hatte, zu ihr gesprochen in ihrem Fiebertraum? Oder war es nicht vielmehr so, dass sie zu viel wusste von diesem unheiligen Buch und es an diesem Ort ganz natürlich war, wenn es in ihre Träume eindrang?
    Dunkel und Hell, Hass und Liebe, Schöpfung und Vernichtung …
    Chaos und Ordnung.
    Die riesige Gestalt des Teufels auf der

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