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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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einen Seite und die göttliche Stadt auf der anderen.
    Die Bilder stürzten so schnell auf sie ein, dass sie Mühe hatte, sie zu erkennen. Eine andere Erinnerung versuchte sich in den Vordergrund zu schieben, eine Erinnerung, die wichtig war, eine Erinnerung, die eine Frage beantwortete … die letzte, die sie gehört hatte, bevor der Schuss gefallen war und sie in ein Zwischenreich gestoßen hatte, in dem der Schmerz regierte.
    Wo …?
    Hatten sie die Bilder immer falsch gedeutet? Waren es nicht Gegensätze, sondern Ergänzungen? Konnte es Helligkeit geben ohne das Dunkel? Musste nicht etwas vernichtet werden, wenn etwas Neues entstehen sollte?
    Die andere Erinnerung meldete sich so kraftvoll, dass Agnes einen Augenblick lang überzeugt war, Alexandra säße neben ihr.
    Ich bin sicher, dass sie hier ist. Wer weiß, wie oft Onkel Andrej und Papa hier gewesen sind, wenn wir dachten, sie seien auf Reisen? Onkel Andrej hat sogar einen Grabstein in dem alten, vergessenen Friedhof für … für eure Eltern aufgestellt.
    Wo …?
    Wo war die Teufelsbibel? Einen halben Tag und eine ganze Nacht lang hatten die Männer von Pater Silvicola die Ruinen auf den Kopf gestellt. Sie hatten jeden Winkel des Kellergewölbes durchsucht. Die Teufelsbibel war nirgends zu finden gewesen. Dann waren wie durch ein Wunder die Soldaten gekommen, und Cyprian und Andrej … und der Schuss …
    Sie hörte die Schüsse und dazwischen Einschläge von Kanonenkugeln. Es war noch immer so weit weg … alles war weit weg, was nicht die Teufelsbibel betraf.
    Agnes kam schwankend auf die Beine und torkelte zu einem der halb verschütteten Seitenausgänge der Kirche, der zu dem alten Friedhof führte.

26.
    Bis sie Prag erreichten, hatten Andreas und Karina Khlesl jeder ein Pferd für sich – die Verluste der Studentenlegion, die unter der Führung von Pater Plachý und Melchior Khlesl den Ausfall gewagt und das Lager Königsmarcks überfallen hatten, waren schwer gewesen. Von den zweihundert Stück Vieh, die Königsmarcks Truppen geraubt hatten, besaßen sienoch fünfzig, zuzüglich eine Anzahl Ziegen und Schweine, die gestorben waren oder getötet werden mussten und die quer über den Sätteln etlicher Reiter lagen. Für die Prager war es weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein; die Tiere waren von Anfang an nicht gut genährt gewesen, und der wilde Viehtreck zurück in die Stadt hatte ihren Zustand nicht verbessert. Dennoch wurden die Rückkehrer empfangen, als hätten sie die Stadt befreit. Selbst General Rudolf Colloredo, der sich am Tag vor dem Auf bruch der Freiwilligen bei den Beratungen heiser geschrien und versucht hatte, den Ausfall zu verhindern, grinste säuerlich. Lýdie saß halb ohnmächtig vor Andreas auf dem Pferd, und Andreas schien froh, dass sich die meiste Aufmerksamkeit auf den baumlangen Jesuitenpater konzentrierte; über sein Gesicht liefen Tränen der Dankbarkeit, dass sie alle wieder hier waren.
    Melchior hielt sich nicht mit Feierlichkeiten auf.
    »Wir … haben … das ganze Heer … Königsmarcks auf den Fersen …«, keuchte er. »Und ich … ich glaube … ich habe noch ein weiteres Heer gesehen, das sich … das sich dem Lager des Generals genähert hat.« Er versuchte, zu Atem zu kommen. Bis sie die kümmerliche Herde durch das Tor getrieben hatten, war er unermüdlich an allen Seiten des Trecks gewesen, hatte zusammen mit den Reitern der Studentenlegion Flüchtlinge eingefangen oder nach allen Seiten gesichert. Keiner hatte gewusst, ob und wie viele berittene Truppen unter Königsmarcks Heer waren und ob sie den Treck nicht verfolgten. »Wir haben die ganze … die ganze Nacht gebraucht, um die Tiere hierherzutreiben. Sie können nicht weit entfernt sein, sie haben keinen nennenswerten Tross … sie sind schnell und beweglich, auch zu Fuß … und sie haben nichts in der Gegend übrig gelassen, das sie noch aufhalten könnte.«
    Colloredo nickte. »Wir treffen uns in einer halben Stunde am Altstädter Tor«, sagte er. Offenbar hatte Melchiors Husarenstückihm halbwegs Achtung eingeflößt. »Bringen Sie Ihre Familienmitglieder nach Hause.« Colloredo nickte Andreas zu. »Ratsherr. Schön, Sie wieder hier zu haben. Wir haben Sie vermisst.«

    Andreas war noch immer wie betäubt, als Melchior ihn und die anderen nach Hause eskortierte. Er brachte sie nach oben, erwehrte sich der Umarmungen und Küsse des Hauspersonals und leitete die Willkommensbeteuerungen auf Andreas, Karina und Lýdie um. Er fühlte einen Hunger,

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