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Die Erbin Der Welt erbin1

Die Erbin Der Welt erbin1

Titel: Die Erbin Der Welt erbin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jemisin
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waren schärfer, als er sprach. »Ich weiß.«
    In mir veränderte sich ebenfalls etwas, als das wilde Gefühl verstummte. Der Ausdruck auf seinem Gesicht. Ein Teil von mir hatte darauf gewartet.
    »Würdest du das tun?« Ich leckte mir wieder über die Lippen und schluckte gegen die plötzliche Enge in meiner Kehle an. »Mich töten? Wenn ich ... darum bitte?«
    Eine Pause entstand.
    Als der Lord der Finsternis mein Gesicht berührte und mit seinen Fingerspitzen meinen Kiefer nachzeichnete, dachte ich, dass ich mir etwas einbildete. In dieser Geste lag unmissverständliche Zärtlichkeit. Aber dann glitt seine Hand genauso zärtlich hinunter und legte sich um meinen Hals. Als er sich nah zu mir lehnte, schloss ich meine Augen.
    »Bittest du darum?« Seine Lippen strichen über mein Ohr, als er flüsterte.
    Ich öffnete meinen Mund, um zu sprechen — und konnte es nicht. Auf einmal zitterte ich. Tränen stiegen mir in die Augen und liefen über mein Gesicht auf sein Handgelenk. Ich wollte so sehr sprechen, darum bitten. Aber ich stand einfach dort, zitterte und weinte, während sein Atem mein Ohr kitzelte. Ein und aus. Drei Mal.
    Dann ließ er meinen Hals los, und meine Knie knickten ein. Ich fiel nach vorne, und plötzlich war ich in seiner weichen, kühlen Dunkelheit versteckt und gegen eine Brust gedrückt, die ich nicht sehen konnte. Ich begann, hineinzuschluchzen. Nach einer Weile legte sich die Hand, die mich beinahe getötet hatte, schützend um mein Genick. Ich muss eine Stunde lang geheult haben, vielleicht auch weniger. Ich weiß es nicht. Er hielt mich die ganze Zeit fest.
     

 

     
     

     
    Die A r ena
     
    Alles, was aus der Zeit vor dem Krieg der Götter übrig geblieben ist, sind geflüsterte Mythen und halbvergessene Legenden. Die Priester bestrafen schnell jeden, der diese Geschichten erzählt und dabei erwischt wird. Es gab nichts vor Itempas, sagen sie; selbst im Zeitalter der Drei war er der Erste und Größte. Aber die Legenden halten sich hartnäckig.
    Ein Beispiel: Es wird gesagt, dass den Dreien einstmals Menschenopfer gebracht wurden. Sie füllten ein Zimmer mit Freiwilligen. Jung, alt, weiblich, männlich, arm, reich, gesund, krank — die ganze Vielfalt und Reichhaltigkeit der Menschheit. Bei einer Gelegenheit, die allen drei heilig war — dieser Teil ist im Laufe der Zeit verloren gegangen —, riefen sie ihre Götter an und baten darum, am Festmahl teilnehmen zu dürfen.
    Enefa, so sagt man, beanspruchte die älteren und kranken — den Inbegriff der Sterblichkeit. Sie ließ ihnen die Wahl: Heilung oder einen sanften, friedvollen Tod. Die Geschichten besagen, dass viele das Zweite wählten, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, wieso.
    Itempas nahm, was er jetzt auch nimmt — die reifsten und nobelsten, die intelligentesten und talentiertesten. Sie wurden seine
    Priester, stellten Pflicht und Anstand über alles, liebten ihn und unterwarfen sich ihm in allen Dingen.
    Nahadoth bevorzugte die jungen, wilden, zügellosen — obwohl er auch den ein oder anderen Erwachsenen beanspruchte. Jeden, der sich dem Moment hingab. Er verführte sie und wurde von ihnen verführt; er ergötzte sich an ihrer Hemmungslosigkeit und gab ihnen alles von sich.
    Die Angst der Itempaner, über diese Zeit zu sprechen, lässt die Menschen wieder danach verlangen, und sie wenden sich der Ketzerei zu. Ich denke, dass sie die Gefahr überschätzen. So sehr ich es auch versuche, ich kann mir nicht vorstellen, wie es gewesen sein muss, in einer solchen Welt zu leben, und ich habe nicht das Verlangen, dorthin zurückzukehren. Wir haben genug Arger mit einem Gott — warum zum Mahlstrom sollte man wieder unter dreien leben wollen?
    Ich verschwendete den nächsten Tag — ein Viertel meines restlichen Lebens. Ich hatte das nicht beabsichtigt. Aber ich war erst in den frühen Morgenstunden in mein Zimmer zurückgekehrt, ich hatte meine zweite Nacht mit wenig Schlaf hinter mir, und mein Körper verlangte Wiedergutmachung, indem ich bis zum Nachmittag schlief. Ich träumte von Tausenden Gesichtern, stellvertretend für Millionen, die alle vor Schmerzen, Entsetzen oder Verzweiflung verzerrt waren. Ich roch Blut und verbranntes Fleisch. Ich sah eine Wüste, die mit gefallenen Bäumen übersät war, weil sie einst ein Wald gewesen war. Ich wachte weinend auf, so schwer wog meine Schuld.
    Am späten Nachmittag klopfte es an der Tür. Ich fühlte mich einsam und vernachlässigt — nicht einmal Si'eh hatte mich besucht —

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