Die Erbin Der Welt erbin1
Worin lag nun der Sinn, in einem Regierungsgremium überrepräsentiert zu sein, das von Anfang an nur ein vorgeschobenes Marionettentheater war?
Aber vielleicht verhielt sich das bei Machthabern einfach so: Nichts kann je zu viel sein.
Ich fand die Vertreter Hochnords viel interessanter. Bisher hatte ich noch keinen von ihnen getroffen, obwohl ich mich daran erinnern konnte, dass der Rat der Darrekrieger sich über sie beschwert hatte. Die erste, Wohi Ubm — ich glaube, der zweite Name war eine Art Titel — stammte aus der größten Nation des Kontinents, einem verschlafenen Bauernland namens Rue. Vor der Hochzeit meiner Eltern war es einer der stärksten Verbündeten der Darr gewesen. Danach kam jegliche Korrespondenz, die wir dorthin schickten, ungeöffnet zurück, was nicht gerade für mein Volk spricht. Ich merkte, dass sie mich während der Sitzung ab und zu anschaute und sich dabei ausgesprochen unwohl fühlte. Wäre ich eine hübschere Frau, hätte ich ihr Unbehagen wohl amüsant gefunden.
Die andere Hochnorderin war Ras Onchi, eine ehrwürdige Älteste, die für die östlichen Königreiche und die inneren Inseln sprach. Sie sagte nicht viel, da sie eigentlich schon längst das Alter erreicht hatte, in dem man sich zur Ruhe setzt, und es gab Gerüchte, dass sie auch schon ein wenig senil war. Trotzdem war sie eine der wenigen Adligen im Plenarsaal, die mich fast die ganze Sitzung hindurch offen anstarrte. Ihr Volk war mit meinem verwandt, und wir hatten ähnliche Sitten, und so starrte ich, um meinen Respekt zum Ausdruck zu bringen, zurück, was sie zu erfreuen schien. Sie nickte einmal exakt in dem Moment, als Dekartas Gesicht abgewandt war. Ich wagte es nicht, zurückzunicken, da so viele Augen jede meiner Bewegungen genau beobachteten, aber die Geste faszinierte mich dennoch.
Dann war die Sitzung vorüber, und der Aufseher brachte mit einem Glockenläuten das Tagesgeschäft zum Abschluss. Ich bemühte mich, nicht erleichtert auszuatmen, weil das Ganze doch fast vier Stunden gedauert hatte. Ich hatte Hunger, musste dringend die Damentoilette aufsuchen und warte unruhig darauf, mir die Beine vertreten zu dürfen. Trotzdem tat ich es Dekarta und Scimina gleich und erhob mich erst dann, als sie es taten, ging in demselben, gemäßigten Schritt hinaus und nickte höflich, als sich eine ganze Phalanx von Gehilfen auf uns stürzte, um uns zu begleiten.
»Onkel«, sagte Scimina, als wir zu dem Mosaikzimmer zurückgingen, »vielleicht würde Cousine Yeine gerne im Salon herumgeführt werden? Sie hat doch bisher sicherlich nicht viel davon gesehen.«
Nichts auf der Welt hätte mich nach dieser gönnerhaften Bemerkung dazu veranlassen können, dem zuzustimmen. »Nein danke«, sagte ich mit einem erzwungenen Lächeln. »Aber ich wüsste gerne, wo sich die Damentoilette befindet.«
»Oh ... hier entlang, Lady Yeine«, sagte einer der Gehilfen, trat beiseite und gestikulierte, dass ich vorgehen möge.
Ich blieb stehen und bemerkte, dass Dekarta weiterging, ohne sich anmerken zu lassen, ob er mich oder Scimina gehört hatte. So lief das hier also. Ich neigte meinen Kopf in Seiminas Richtung, die ebenfalls stehenblieb. »Es ist nicht notwendig, auf mich zu warten.«
»Wie du willst«, sagte sie und drehte sich anmutig herum, um Dekarta zu folgen.
Ich folgte dem Gehilfen durch den längsten Korridor der Stadt — wenigstens fühlte er sich so an, weil jetzt, da ich mich in aufrechter Haltung befand, meine Blase darauf bestand, möglichst rasch geleert zu werden. Als wir endlich den Raum erreichten — auf der Tür stand Privat in Senmite, was meiner Meinung nach heißen sollte Nur für die höchstrangigen Gäste des Salons —, bedurfte es all meiner Willenskraft, dass ich nicht äußerst würdelos in die fast zimmergroße Kabine stürzte.
Nachdem ich mein Geschäft verrichtet und den komplizierten Vorgang, meine Amn- Unterwäsche wieder anzulegen, begonnen hatte, hörte ich, wie sich die äußere Türe öffnete. Scimina, dachte ich und unterdrückte sowohl meinen Arger als auch einen Anflug von Beklommenheit.
Als ich allerdings aus der Kabine trat, sah ich überrascht Ras Onchi neben den Waschbecken stehen, die offensichtlich auf mich wartete.
Einen Moment lang zog ich in Erwägung, mir meine Verwirrung anmerken zu lassen, entschied mich aber dagegen. Stattdessen neigte ich meinen Kopf und sagte auf Nirva — der gemeinsamen Sprache des Nordens, lange bevor die Arameri der Welt Senmite aufgezwungen hatten
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