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Die Erbin Der Welt erbin1

Die Erbin Der Welt erbin1

Titel: Die Erbin Der Welt erbin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jemisin
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ging davon, hinüber zur Seite des Vorhofs. Die Wachen machten ihm den Weg so eifrig frei, dass es unter anderen Umständen amüsant gewesen wäre.
    Ich beobachtete ihn noch einen Moment, dann folgte ich meiner Großmutter.
    Da fällt mir noch ein anderes Märchen aus meiner Kindheit ein.
    Man sagt, dass der Lord der Finsternis nicht weinen kann. Niemand kennt den Grund dafür, aber die Mächte des Mahlstroms haben ihrem dunkelsten Kind viele Gaben verliehen, nur nicht die Fähigkeit, zu weinen.
    Bright Itempas kann es. Die Legenden sagen, dass seine Tränen der Regen sind, der manchmal fällt, wenn die Sonne noch scheint. Ich habe diese Legende niemals geglaubt, weil es bedeuten würde, dass Itempas ziemlich oft weint.
    Enefa von der Erde konnte weinen. Ihre Tränen sind der gelbe, brennende Regen, der nach einem Vulkanausbruch fällt. Er fällt immer noch, dieser Regen. Er vernichtet Ernten und vergiftet Wasser. Aber er bedeutet nichts mehr.
    Der Lord der Finsternis Nahadoth war der Erstgeborene der Drei. Bevor die anderen auftauchten, hatte er unzählbare Ewigkeiten als das einzige, existierende Lebewesen verbracht. Vielleicht erklärte das seine Unfähigkeit. Vielleicht werden Tränen bei so viel Einsamkeit irgendwann nutzlos.
    Sar-enna-nem war einst ein Tempel. Sein Haupteingang ist eine riesige, gewölbte Halle. Sie wird gestützt von Säulen, die in einem Stück aus der Erde geschlagen wurden. Mein Volk hatte sie errichtet, lange bevor wir Amn-Erfindungen wie Schreiberei oder Uhrwerke kannten. Wir hatten damals unsere eigenen Techniken. Und die Orte, die wir zu Ehren der Götter bauten, waren großartig.
    Nach dem Krieg der Götter taten meine Ahnen, was zu tun war. Sar-enna-nems Zwielicht- und Mondfenster — die einst für ihre Schönheit berühmt waren — wurden zugemauert. Weiter südlich wurde ein neuer Tempel gebaut. Er war allein Itempas gewidmet und nicht durch die Verehrung, die man einst seinen Geschwistern entgegengebracht hatte, befleckt. Dort befindet sich das heutige religiöse Zentrum der Stadt. Sar-enna-nem wurde umstrukturiert zu einem Regierungsgebäude. Von dort stammten die Erlasse des Kriegerrates, die ich als mm früher durchgesetzt hatte. Jegliche Heiligkeit war längst vergangen.
    Die Halle war leer, wie es um diese späte Stunde zu erwarten war. Meine Großmutter führte mich zu dem erhöhten Sockel auf dem am Tage der Kriegerrat auf einem Kreis aus dicken Teppichen saß. Sie setzte sich hin, und ich ließ mich ihr gegenüber nieder.
    »Hast du versagt?«, fragte sie.
    »Noch nicht«, antwortete ich. »Aber es ist nur eine Frage der Zeit.«
    »Erkläre es mir«, sagte sie, und das tat ich. Ich gebe zu, dass ich den Bericht ein wenig angepasst habe. Ich erzählte ihr nicht von den Stunden, die ich weinend im Zimmer meiner Mutter verschwendet hatte. Ich erwähnte meine gefährlichen Gedanken in Bezug auf Nahadoth nicht. Und ich erwähnte schon gar nicht meine beiden Seelen.
    Als ich fertig war, seufzte sie, was das einzige Zeichen ihrer Besorgnis war. »Kinneth glaubte immer, dass Dekartas Liebe zu ihr dich schützen würde. Ich kann nicht sagen, dass ich sie jemals mochte, aber im Laufe der Jahre lernte ich, ihrem Urteil zu vertrauen. Wie konnte sie so falsch liegen?« »Ich bin nicht sicher, dass das der Fall war«, sagte ich leise. Ich dachte an Nahadoths Worte über Dekarta und den Mord an meiner Mutter: »Du denkst, dass er es war?«
    Ich hatte seither mit Dekarta gesprochen. Ich hatte seine Augen gesehen, während er von meiner Mutter sprach. Konnte ein Mann wie er jemanden ermorden, den er so sehr liebte?
    »Was hat Mutter dir erzählt, Beba?«, fragte ich. »Warum sie die Arameri verlassen hatte?«
    Meine Großmutter runzelte die Stirn, verdutzt über meine plötzliche Abkehr von Förmlichkeiten. Wir hatten uns nie sehr nahegestanden, sie und ich. Sie war zu alt, um ennu zu werden, als ihre Mutter starb, und keins ihrer Kinder war ein Mädchen. Obwohl mein Vater es gegen alle Widrigkeiten geschafft hatte, ihr Nachfolger zu werden — er war einer von drei männlichen ennu in unserer Geschichte —, war ich so etwas wie die Tochter, die sie nie gehabt hatte. Ich, die Halb-Amn-Verkörperung des größten Fehlers ihres Sohnes. Ich hatte es schon vor Jahren aufgegeben, ihre Liebe erringen zu wollen.
    »Sie sprach nicht sehr viel davon«, sagte Beba langsam. »Sie sagte, dass sie meinen Sohn liebte.«
    »Das kann dir unmöglich gereicht haben«, sagte ich leise.
    Ihr Blick würde

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