Die Erbin Der Welt erbin1
Närrin.
»Du denkst, dass dieser Tempel euch beschützt?«, zischte er. Erst dann wurde mir klar, dass er noch nicht über die Schwelle getreten war. »Hast du vergessen, dass dein Volk mich hier auch einst angebetet hat?«
Er betrat Sar-enna-nem.
Die Teppiche unter meinen Knien verschwanden. Der Boden, der aus Holzbohlen bestanden hatte, löste sich auf. Darunter kam ein Mosaik aus polierten Halbedelsteinfliesen zum Vorschein; Steine jeder Farbe, die durch Goldvierecke unterbrochen wurden. Ich schnappte nach Luft, als die Säulen erzitterten und die Ziegel sich ins Nichts auflösten. Dann plötzlich konnte ich die Drei Fenster sehen — nicht nur die Sonne, sondern Mond und Zwielicht ebenfalls. Mir war nie klar gewesen, dass man sie alle gleichzeitig betrachten sollte. Wir hatten so viel verloren. Um uns herum standen die Statuen von Wesen, die so vollkommen, so fremdartig und so vertraut waren, dass ich für all die verlorenen Brüder und Schwestern Si'ehs weinen wollte; für Enefas treue Kinder, die wie Hunde abgeschlachtet worden waren, als sie versuchten, den Mord an ihrer Mutter zu rächen. Ich verstehe. Ich verstehe Euch alle, und ich verstehe so viel...
Und dann erlosch das Fackellicht, und die Luft knisterte. Ich drehte mich herum und sah, dass auch Nahadoth sich verändert hatte. Die Dunkelheit der Nacht erfüllte jetzt die Seite von Sar- enna-nem, aber nicht, wie an meinem ersten Abend in Elysium. Hier hatten ihm die Überreste uralter Ergebenheit neuen Auftrieb gegeben, und er zeigte mir alles, was er einst gewesen war: der Erste unter den Göttern, die Ausgeburt der süßen Träume und der Albträume, alles Schöne und Schreckliche. Durch einen Hurrikanwirbel von schwarzblauem Unlicht erhaschte ich einen Blick auf mondweiße Haut und Augen wie weit entfernte Sterne. Dann verzerrten sie sich in etwas so Unerwartetes, dass mein Gehirn sich einen Moment lang weigerte, das zu interpretieren. Aber das Relief in der Bibliothek hatte mich gewarnt, oder nicht? Das Gesicht einer Frau schaute mich aus der Dunkelheit heraus an, stolz und mächtig und so atemberaubend, dass ich sie genauso begehrte wie ihn, und es erschien überhaupt nicht seltsam, dass ich das tat. Dann veränderte sich das Gesicht wieder und wurde zu etwas, das entfernt an einen Menschen erinnerte, etwas mit Tentakeln, mit Zähnen und so hässlich, dass ich schrie. Dann war da nur noch Dunkelheit, wo sich eigentlich sein Gesicht befinden sollte, und das war noch beängstigender als alles andere.
Er machte wieder einen Schritt vorwärts. Ich spürte es: Eine unmögliche, unsichtbare Weite bewegte sich mit ihm. Ich hörte die Mauern von Sar-enna-nem stöhnen, weil sie zu dünn waren, um einer solchen Macht standzuhalten. Ich hörte, wie Donner im Himmel über Darr grollte. Der Boden unter meinen Füßen erzitterte. Weiße Zähne, die scharf waren wie die der Wölfe, gleißten mitten in der Dunkelheit. Dann wusste ich, dass ich handeln musste, oder der Lord der Finsternis würde meine Großmutter vor meinen Augen töten.
Vor meinen ...
... Vor meinen Augen liegt sie, ausgestreckt, nackt und blutig
das ist kein Fleisch, sondern alles, was du verstehen kannst ...
... aber es bedeutet dasselbe wie Fleisch — sie ist tot und vergewaltigt, ihre vollkommene Form wurde auf Weisen zerrissen, die nicht möglich sein sollten,
nicht sein sollten, und wer hat das getan? Wer hätte was hatte es zu bedeuten, dass er mich geliebt hatte, bevor er das Messer ins Ziel stieß?
und dann kommt die Erkenntnis: Verrat. Ich kannte seine Wut, aber ich hatte mir nie vorstellen können ... nicht in meinen kühnsten Träumen ... ich hatte ihre Ängste nicht beachtet. Ich dachte, ich würde ihn kennen. Ich nehme ihren Körper zu mir und versuche, die gesamte Schöpfung dazu zu bewegen, sie wieder lebendig zu machen. Wir wurden nicht für den Tod erschaffen. Aber nichts ändert sich, nichts ändert sich, da war eine Hölle, die ich vor langer Zeit geschaffen hatte, weil ich mir nichts Schrecklicheres vorstellen konnte, und jetzt bin ich hier.
Dann kamen andere, unsere Kinder, und alle reagieren mit ähnlichem Schrecken
in den Augen eines Kindes, ist die Mutter eine Göttin aber ich kann ihre Trauer durch den schwarzen Nebel meiner eigenen nicht sehen. Ich lege ihren Körper hin, aber meine Hände sind mit ihrem Blut bedeckt, unserem Blut, Schwester Geliebte Schülerin Lehrerin Freundin anderes Ich; und als ich meinen Kopf hebe, um meine Wut
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