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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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vielbeschäftigter Mann mit breitgefächerten Interessen war. Freddy warnte ständig vor irgendwelchen noch so geringen Änderungen in seinem Terminplan. Oliver unternahm Neues. Er war nicht wie Freddy.
    Du erinnerst dich an den Schmerz und zuckst zurück.
    Das stimmte nicht. Oder doch?
    Nicht vor der Welt da draußen, nein. Aber …
    Oliver schloss die Augen und holte tief Luft. Er zuckte vor einer ganzen Reihe anderer Sachen zurück.
    Wie Jane. Als er sie kennengelernt hatte, hatte er ihr kaum zuschauen können. Sie verstieß gegen die Regeln der guten Gesellschaft, ohne weiter darüber nachzudenken, und er war zuerst zurückgezuckt, als er sie gesehen hatte. Jane war ein Kohlegreifer.
    Aber Freddy hatte recht. Es hatte eine Zeit gegeben, als Oliver selbst die Kohle gehalten hatte. In seinem ersten Jahr in Eton zum Beispiel. Diese ersten Jahre hatte er darauf bestanden, dass es sein Recht sei. Er hatte laut verkündet, er sei so gut wie jeder andere dort, und er war bereit gewesen, dafür zu kämpfen. Was war geschehen, dass sich das geändert hatte? Wann hatte es angefangen, sich in die falsche Richtung zu entwickeln?
    Die Wände schienen dicker. Die Luft wirkte drückender. Er konnte es beinahe spüren, wie die Wände, die er um sein Leben errichtet hatte, näher rückten. Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie da waren, so still hatte er sie gebaut. Aber sie waren da, wenn er die Hand ausstreckte. Freddy hatte Free gegenüber darauf beharrt, sie müsse in der Wohnung bleiben, ihre Hüte tragen. Und Oliver hatte dasselbe gesagt. Er hatte seine Schwester angesehen, die mit strahlendem Gesicht mit hundert anderen Frauen im Hyde Park stand, und statt stolz auf sie zu sein oder froh über das, was geschah, hatte er sich müde gefühlt. Er hatte versucht, sie vor Cambridge zu warnen, sie dazu zu bewegen, dass sie ihren Traum aufgab.
    Es war eine alte Müdigkeit, die er verspürte, die Mattigkeit eines alten Hundes, der in der Sommersonne lag und den Welpen beim Spielen zuschaute. Als ob Übermut der Jugend gehörte. Er konnte sich noch schwach an ein Echo dieses Gefühls erinnern. Tage, an denen er darauf beharrt hatte – wieder und wieder –, dass er so gut wie alle anderen war, dass er sich nicht ihren Regeln beugen würde, sondern vielmehr sie dazu bringen, sich nach seinen zu richten.
    Er blätterte auf die nächste Seite von „Mrs. Larriger verlässt ihr Zuhause“, aber die Worte verschwammen ihm vor den Augen.
    Er stellte sich die falschen Fragen. Einmal war er wie Free gewesen, nicht willens, nachzugeben oder ein Nein als Antwort zu akzeptieren. Die Frage lautete nicht, wann sich das geändert hatte. Sie lautete vielmehr: Wann hatte er beschlossen, sich einfach mit den Regeln der Gesellschaft abzufinden und das Spiel genau so zu spielen, wie es von denen, die bereits Macht hatten, festgelegt worden war?
    Das war vor Jahren in Eton gewesen.
    Als er schließlich gelernt hatte, den Mund zu halten. Als er erkannt hatte, dass er viel mehr erreichen konnte, wenn er schwieg und einfach seine Zeit abwartete, statt um sich zu schlagen und sich zu wehren.
    Er hatte eine Karriere darauf aufgebaut, den Mund zu halten, hatte er Jane gesagt. Aber an irgendeinem Punkt brachte still zu halten einen nicht mehr weiter. Wenn er nicht den Mund aufzumachen lernte, was für einen Sinn hatte es dann, Macht zu erstreben? Einfach weitermachen, nur um weiterzumachen?
    Und dann stellte Mrs. Larriger mit größter Anstrengung, mit der Anstrengung einer Frau, die alles hinter sich ließ, was sie kannte, einen Fuß vor die Tür in den warmen Maisonnenschein.
    Oliver benötigte einen Moment, um sich an sein altes Selbst zu erinnern – der Mensch, von dem er gedacht hatte, er sei unreif, der Junge, den er beiseite geschoben hatte, als er erwachsen wurde. Er hätte vor heute nie gedacht, dass er sich seiner Abstammung schämte. Und doch …
    Wie kam es, dass er die Regeln, die er gehasst hatte, hingenommen hatte, sogar zur Grundlage seines Handelns gemacht hatte? Er hatte sich dagegen aufgelehnt, wenn man ihn als Bastard bezeichnete. Er hatte dagegen gewütet, wenn man ihm sagte, er würde es nie zu etwas bringen, dass sein Vater ein Niemand sei. Wie kam es, dass er der Frau, die er liebte, gesagt hatte, sie sei ein Niemand? Dass sie schrecklich sei?
    Es war ihm irgendwann wichtiger geworden, jemand zu werden, der eine Veränderung bewirken konnte, als die Veränderung an und für sich. Er hatte sich von Jane abgewandt, und dabei hatte er

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