Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
Stimme erringen? Sie sind ein Marquis, ich aber nur ein einfacher Mann von Hunderten. Ein Mann unter Tausenden.“ Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, während er mit dem Finger auf den Tisch klopfte. „Ein Mann von, sagen wir, einhunderttausend.“
Bradenton runzelte die Stirn. „Einhunderttausend?“
„Eigentlich sogar mehr. Waren Sie vor ein paar Wochen im Hyde Park? Ich schon. Es lag eine ansteckende Freude in der Luft, Überschwang. Das Volk hat sich versammelt, das Volk hat gewonnen. Ich habe später die Schätzungen in den Zeitungen gelesen, wie viele Leute da waren, und ja, so viele waren es mindestens, das war die niedrigste Zahl, die genannt wurde. Einhunderttausend.“
Bradenton verlagerte sein Gewicht auf dem Stuhl.
„Es ist genauso, wie Sie früher einmal gesagt haben“, fuhr Oliver fort. „Es gibt einen von Ihnen und Hunderttausende von mir. Sie scheinen daraus Trost zu ziehen, aber ich kann nicht erkennen, warum.“ Oliver lehnte sich vor und lächelte. „Das ist ja in der Tat ein eher furchteinflößendes Verhältnis.“
„Ich bin vollkommen unbeeindruckt von dem Protest des Abschaums.“ Aber Bradenton sprach schnell, wich Olivers Blick aus. „Ich habe durch mein Geburtsrecht einen Sitz im Oberhaus. Ich muss mich nicht dem beugen, was das gemeine Volk will.“
„Dann wird es Sie ja auch nicht stören, wenn in den Schlagzeilen behauptet wird, dass die Reform erneut verhindert wurde und dieses Mal durch einen Stimmenanteil, zu denen die des Marquis of Bradenton gehört.“
Bradentons Augen weiteten sich, und er atmete scharf ein. Aber einen Augenblick später schüttelte er vehement den Kopf. „Ich wäre nicht der Einzige.“
„Nein. Aber bedenken Sie, wie gut Ihr Name in einer Schlagzeile klänge. ‚Bradenton blockiert Bestreben zur Reform.‘ Das ist fast ein lupenreiner Stabreim.“
Bradenton ballte die Hände zu Fäusten. „Hören Sie auf, Marshall. Das ist nicht komisch.“
„Natürlich ist es das nicht. Sie sind doch unbeeindruckt von dem Protest des Abschaums. Wenn Sie sich vor Ihrem Haus versammeln, in größerer Menge, als sie zählen können, werden Sie ihnen ins Gesicht lachen.“
„Seien Sie still, Marshall“, knurrte Bradenton. „Seien Sie still.“
„Ja, das ist gut. Sagen Sie ihnen das, während sie Sprechchöre singen. ‚Seien Sie still!‘ Ja, das könnte wirken. Vielleicht hören sie auf Sie. Oder vielleicht hören sie auf zu sprechen und beginnen stattdessen, Steine zu werfen. Wussten Sie, dass sie gegen Ende der Demonstration die Marseillaise gespielt haben?“
„ Seien Sie endlich still! Die Konstabler … die werden die Bande ins Gefängnis werfen.“
„Ah ja. Ich habe an dem Tag der Versammlung Konstabler gesehen“, sagte Oliver. „Alle beide. Die würden eine beeindruckende Barrikade sein, diese beiden einzelnen blau Uniformierten vor Ihrem Haus, mit schimmernden Schlagstöcken, während sie sich Zehntausenden gegenüber finden. Das würde einen Sturm auf Ihr Haus hier mindestens zwei Sekunden lang aufhalten.“
„Ruhe!“
„Nein“, erwiderte Oliver fast nachdenklich. „Sie haben recht. Sie würden nicht so lange durchhalten. Weil nämlich mehr als die Hälfte der Konstabler auch nicht wählen dürfen.“
Er wartete. Das Schweigen zwischen ihnen zog sich in die Länge. Bradenton lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, atmete schwer.
„Sie sehen also, Bradenton, Sie werden dafür stimmen, das Wahlrecht auszuweiten. Weil es Tausende wie mich gibt, aber nur einen wie Sie, und wir nicht länger gewillt sind, still zu halten.“
„Seien Sie endlich still“, verlangte Bradenton erneut. Aber seine Hände bebten und seine Stimme klang schwach.
„Nein“, widersprach Oliver. „Darum geht es ja gerade. Sie hatten so viel Zeit, mich zum Schweigen zu bringen, und dazu, dass ich Ihre Regeln befolge. Aber ich bin es leid, still zu sein. Jetzt sind Sie an der Reihe.“
Kapitel 30
„ I CH MÖCHTE ETWAS Großes.“ Jane saß mit Genevieve Johnson auf dem Sofa im vorderen Salon der Räumlichkeiten, die sie in London gemietet hatte. „Etwas ganz Großes. Etwas, was so groß und laut ist, praktisch unmöglich zu ignorieren, wie meine Kleider es sind. Aber dieses Mal soll es einen Zweck haben.“
„Schwebt dir etwas Besonderes vor?“, fragte Genevieve. „Und was hat das alles mit mir zu tun?“
Jane schluckte. „Du hast einmal gesagt, du wünschtest dir nur deswegen einen Ehemann, damit du dich dem Vergnügen widmen
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