Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
mehr. Ich finde entschieden, dass da noch etwas fehlt. Vielleicht eine vierte Sorte?“
Gütiger Himmel. Wo da noch Platz für mehr Verzierungen sein sollte, wusste sie nicht.
„Was ist mit einer Schärpe aus Spitze?“, schlug Genevieve vor.
Es war eine seltsame Freundschaft, die sie mit den Johnson-Zwillingen verband. Die beiden waren für ihren unfehlbar guten Geschmack bekannt. Daher unterließen sie es nie, Jane in die falsche Richtung zu steuern. Aber das taten sie so liebenswürdig, dass es beinahe Spaß machte, von ihnen ausgelacht zu werden.
Da Jane in die falsche Richtung gelenkt werden wollte, hieß sie ihre Bemühungen aus ganzem Herzen willkommen.
Sie erzählten ihr Lügen genau wie sie ihnen. Da Jane der Lächerlichkeit preisgegeben werden wollte , funktionierte es für alle Beteiligten ganz wunderbar.
Manchmal fragte sie sich allerdings, wie es wohl wäre, wenn sie je aufrichtig zueinander sein könnten. Wenn die Johnson-Zwillinge echte Freundinnen wären statt liebenswürdig-höfliche Feindinnen.
Geraldine musterte Janes Kleid und nickte bekräftigend. „Ich unterstütze den Vorschlag mit der Spitzenschärpe uneingeschränkt. Sie würde diesem Kleid einen Anstrich von Würde verleihen, der ihm momentan noch fehlt.“
Mrs. Sandeston gab ein ersticktes Geräusch von sich.
Nur selten fragte sich Jane, ob sie echte Freundinnen hätten werden können. Und gewöhnlich fielen ihr dann nur allzu schnell die Gründe wieder ein, weswegen sie keine echten Freundinnen haben konnte. Alle einhunderttausend.
Daher nickte sie nur zu den schrecklichen Vorschlägen der Johnsons. „Was halten Sie beide von der modischen Malteser Klöppelspitze, die wir uns vorhin angesehen haben? Die goldfarbene mit den Rosetten?“
„Unbedingt“, stimmte Geraldine ihr zu und nickte. „Die muss es sein.“
Die Schwestern warfen einander über ihre Fächer hinweg Blicke zu – und lächelten einander verschwörerisch an, sagten damit so klar, als hätten sie es ausgesprochen: Lass uns sehen, zu welchen Scheußlichkeiten wir die Feder-Erbin heute verleiten können.
„Miss Fairfield.“ Mrs. Sandeston legte die Hände aneinander, ahmte unbewusst die Geste des Gebets nach. „Ich flehe Sie an. Berücksichtigen Sie doch bitte, dass man einen wesentlich eleganteren Effekt erzielen kann, indem man weniger Verzierungen wählt. Eine schöne Spitze kann die Krönung eines hübschen Kleides sein, bestechend in ihrer Schlichtheit. Zu viel hingegen …“ Sie brach ab und machte eine vielsagende Handbewegung.
„Zu wenig“, entgegnete Genevieve ruhig, „und niemand wird ahnen, was Sie zu bieten haben. Geraldine und ich – nun, wir haben jeweils nur lächerliche zehntausend Pfund, und unsere Kleider müssen das widerspiegeln.“
Geraldine umfasste ihren Fächer fester. „Leider“, merkte sie an.
„Aber Sie, Miss Fairfield, Sie haben eine Mitgift von einhunderttausend Pfund. Sie müssen sichergehen, dass die Leute das auch wissen. Und nichts spricht so klar von Reichtum wie Spitze.“
„Und nichts ist ein so deutlicher Hinweis auf Spitze wie mehr Spitze“, fügte Geraldine hinzu.
Sie wechselten wieder einen Blick.
Jane lächelte. „Danke“, sagte sie. „Ich weiß gar nicht, was ich ohne Sie beide anfangen würde. Sie sind so gut und freundlich zu mir gewesen, und ich habe so viel von Ihnen gelernt. Ich habe keine Ahnung, was modisch ist, ganz zu schweigen davon, welche Botschaft meine Kleidung aussendet. Wer weiß schon, welch schlimme Fehlgriffe ich mir leisten würde, wenn ich Sie nicht hätte, um mich zu leiten?“
Mrs. Sandeston machte ein ersticktes Geräusch, blieb aber stumm.
Einhunderttausend Pfund. Einer der Gründe, weswegen Jane hier war und diese beiden hübschen jungen Damen dabei beobachtete, wie sie listig lächelten und sich dabei einbildeten, Jane verstünde nicht, was das hieß. Sie steckten die Köpfe zusammen und flüsterten – den Mund sittsam hinter dem Fächer verborgen – und brachen dann nach einem Blick auf sie gemeinsam in Gekicher aus. Sie hielten sie für eine Witzfigur, ohne Geschmack, Verstand und Vernunft.
Es tat nicht weh, kein bisschen.
Es tat nicht weh zu wissen, dass sie sie ins Gesicht Freundin nannten und sich dann daran machten, allen, die sie trafen, zu erzählen, was sie wieder Dummes getan hatte. Es tat nicht weh, dass sie sie zu mehr anstifteten – mehr Spitze, mehr Schmuck, mehr Perlenstickerei – einfach nur, um ihren Spaß haben. Es tat nicht weh, dass ganz
Weitere Kostenlose Bücher