Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
passten einfach zu ihr. Sie faszinierte alle – und nachdem sie erst einmal etwas erreicht hatte, hatte sie ihren widerwilligen Respekt errungen.
„Woher wussten Sie das?“, wollte der andere wissen.
Oliver zuckte die Achseln. „Ich habe sie in Aktion gesehen. Ich wusste, was sie bewirken kann. Aber kommen Sie. Genug davon. Es gibt da einen Mann, den ich Ihnen vorstellen möchte.“
Er machte die Herren miteinander bekannt, man schüttelte sich die Hände. Oliver hakte das als erledigt ab, stellte sein Glas auf einem Tischchen in der Nähe ab und durchquerte den Raum. Niemand konnte es erkennen – niemand außer Oliver –, aber unter ihrem Kleid aus gestreifter Seide rundete sich Janes Bauch. In ein paar Monaten würde es nicht länger zu verbergen sein, dass sie mit ihrem zweiten Kind schwanger war. Jetzt jedoch …
Er kam zu ihr. Himmel, sie war wunderschön. Sie kehrte ihm den Rücken zu, sodass er ihren Rücken und den Nacken bewundern konnte, geschmückt mit Gold und Diamanten. Ihre Taille schien um seine Berührung zu betteln. Sie sprach sehr angeregt zu den Leuten um sie herum.
„Diese großartige Theorie muss auch Konsequenzen haben“, sagte Jane gerade. „Es ist alles gut und schön zu sagen, dass Ärzte immer nur das Wohl ihrer Patienten im Blick haben sollten, aber was, wenn das nicht der Fall ist? Wer entscheidet, was dann geschieht? Das ist es, was Sie bedenken müssen. Dann reden wir mit dem Parlament.“
„Wenn man vom Teufel spricht“, bemerkte der Arzt neben ihr.
Jane drehte sich um. „Oh, du bist es.“ Aber sie blickte ihn strahlend an – das Lächeln einer Frau, die vollkommen in ihrem Element war – und nahm seine Hand, verschränkte ihre Finger mit seinen. „Hast du Bertie Pages mitgebracht? Ich wollte ihn Anjan vorstellen.“ Sie beugte sich zu ihm. „Emily sagt, dass Anjan mit dem Gedanken spielt, dir ins Parlament zu folgen.“
„Ich weiß. Ich habe vorhin mit ihm darüber gesprochen. Und es ist bereits getan.“ Oliver deutete durch den Raum, wo sein Kollege mit seinem Schwager sprach. Emily stand lächelnd neben ihrem Ehemann.
„Du bist überaus effizient“, sagte sie.
„Manchmal.“ Er lächelte.
Jane stand vor dem Fenster. Manche dachten vielleicht, die Einrichtung des Salons sei in gewisser Weise seltsam. Schließlich stand auf einem Tisch vor dem Fenster eine kleine Pflanzensammlung, bislang sechs an der Zahl. Ein Kaktus für jeden Hochzeitstag, den sie gefeiert hatten, plus den, den Jane mit in die Ehe gebracht hatte. Zum zehnten Hochzeitstag würde Oliver ihr einen Saguaro-Riesenkaktus schenken – aber das würde einigen Aufwand erfordern. Für den Moment …
„Ich bin gekommen, um zu sehen, ob du vielleicht müde bist“, verriet Oliver ihr. „Nach all der Arbeit heute bin ich sicher, dass du, wenn alles vorbei ist, sicher Ruhe brauchst.“
In den ersten Monaten der Schwangerschaft war sie müde und erschöpft gewesen. Sie hatte oft geschlafen und brauchte Rückenmassagen, mit denen er gerne ausgeholfen hatte.
„Ich bin schon eine ganze Weil nicht mehr so müde“, teilte sie ihm mit. „Aber sicher, wenn wir fertig sind, werde ich …“ Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
Sie sah ihm in die Augen und bemerkte sein Lächeln. Ihre Hand, die in seiner lag, wurde einen Moment still. Mit Bedacht strich Oliver den Daumen über ihre Finger.
Sie erwiderte sein Lächeln.
„Jetzt, da du es erwähnst“, korrigierte sie sich, „werde ich später besonders müde sein. Ich brauche vielleicht auch Hilfe, nach oben zu gehen.“
Mit dem Zeigefinger fuhr sie antwortend über seine Handkante.
„Ja“, sagte Oliver. „Das kriege ich wohl hin.“ Er lehnte sich vor und hauchte ihr einen Kuss auf Stirn. „Bis dann.“
Leseprobe „Die Witwe und ihr geliebter Schuft“
„Die Witwe und ihr geliebter Schuft“ erscheint im September 2014. Hier finden Sie einen kurzen Auszug aus Kapitel 1.
D IE M ORGENSONNE BRANNTE erbarmungslos hernieder, schmerzte Sebastian in den Augen, als er über den Garten blickte. Das Sonnenlicht fiel auf den Rosenbogen, und auf den Beeten schimmerte der Tau. Es war verdammt hübsch anzusehen, und er hätte es vielleicht genossen, wäre da nicht das beständige Pochen in seinem Kopf gewesen.
Wüsste er es nicht besser, hätte er geglaubt, er litte unter den Nachwirkungen übermäßigen Alkoholgenusses. Nur hatte er in den letzten achtundvierzig Stunden nichts Stärkeres zu sich genommen als Tee. Nein, etwas anderes plagte ihn.
Weitere Kostenlose Bücher