Die Erbin
den Mithörlautsprecher ein.
Der Ruf ging ab. Dann, nach zwei Sekunden, eine weibliche Stimme: »Sowjet-Export- und Handelsmission. Wen möchten Sie sprechen?«
»Wer ist zuständig für Schiffsfrachten?«
»Wen darf ich melden?«
»Lyda Penopoulos.«
Einen Atemzug Stille. Dann die gleiche Stimme, wie aufgeschreckt: »Sie selbst?«
»Ich selbst! Verbinden Sie mich endlich!«
»Sofort Madame. Daß ich Sie einmal persönlich hören würde, hätte ich mir nie träumen lassen …«
»Sie träumen nicht, aber vielleicht verbinden Sie mich jetzt.«
Es knackte ein paarmal. Lyda hielt die Hand über das Mikrofon. »Eine dumme Kuh!« sagte sie grob. »Bin ich ein Wundertier?«
»Für die große Masse schon.«
Eine Männerstimme schnitt weitere Erörterungen ab. Eine junge Stimme, sie klang angenehm, wenn auch geschäftlich kühl.
»Lobow«, sagte der Mann. »Boris Jegorowitsch Lobow. Lyda Penopoulos selbst?«
»Ja.«
»Das hätte ich mir nie träumen lassen!«
»Das ist anscheinend der Stil Ihres Hauses«, sagte Lyda sarkastisch. »Jeder, mit dem ich spreche, hat sich irgend etwas träumen lassen. War es etwa auch ein Traum, daß ein Monsieur Okoschkin bei unserer Reedereileitung angerufen hat?«
»Das war zufällig ein hellwacher Moment. Genosse Okoschkin hat bei Ihnen angefragt. In meinem Auftrag.«
»Sagen Sie immer Genosse?«
»Bei uns ist das üblich.«
»Sie wollen neun Schiffe von uns? Davon drei Großtanker, Genosse?« Sie blinzelte Kostas wieder zu. Ihr Gesicht strahlte. Man kann mit den Russen ja reden, dachte sie. Die haben sogar Humor!
»Wenn es möglich ist, mit Vergnügen, Madame«, sagte Lobow gewandt. »Wir könnten uns über die Konditionen schnell einig werden.«
»Das glaube ich nicht, Genosse«, antwortete sie. Kostas wedelte mit der Hand. Nicht mit dem Feuer spielen, sollte das heißen. Einen anderen Ton, Lyda, du unterschätzt die Russen! Das ist hier keine Party, sondern ein knallhartes Geschäft. Öl in die Krisenländer. Was die Russen brauchen, ist unsere Flotte unter liberianischer Flagge. Dann können sie liefern, was sie wollen, und immer sagen: Es war kein sowjetisches Schiff. Was geht's uns denn an, was und wem die Penopoulos-Linie liefert?
»Ich bin zu jedem Gespräch bereit, Genossin.«
»Das werden Sie nie erleben!«
»Ein Gespräch?«
»Nein. Die ›Genossin‹!« Lyda lachte schallend, lachte mit zurückgeworfenem Kopf, weit aufgerissenem Mund, blitzenden Zähnen, zusammengekniffenen Augen. Ihr Lachen war so elementar wie alle ihre Gefühlsausbrüche. Sie konnte mitreißen, in der Freude wie im Haß. Sie war wie eine Sturmflutwoge; wer ihr entgegenlief, wurde überspült. »Neun Schiffe sind eine ganze Menge, Genosse Lobow. Welche Garantien geben Sie?«
»Hat die Sowjetunion es nötig, Garantien zu geben? Wir buchen für zwei Jahre fest zu Ihrem Preis.«
»Sie kennen ihn noch gar nicht.«
»Sie werden ihn mir sagen.« Lobow legte eine raffinierte Pause ein. »Ist es möglich, das persönlich auszuhandeln?«
»Ich schicke meine Direktoren zu Ihnen.«
»Es wäre mir lieber, wenn ich es mit Ihnen selbst besprechen könnte.«
»Im Maxim?«
»Dazu müßte ich mir einen Smoking kaufen. Ich besitze noch keinen. Geht es nicht sozialistischer?«
»Im Restaurant ›George V.‹?«
»Angenommen.« Lobow lachte, jungenhaft, sympathisch, unbekümmert. »Ich hatte an ein Bistro gedacht. Aber wenn Ihnen das ›George V.‹ angenehmer ist …«
»Mein Vater wohnte früher oft dort. Ich halte auf Tradition.«
»Sie haben es gut, Madame.« Lobows Stimme klang ein wenig bekümmert. »Unsere Tradition fängt mit der Oktoberrevolution an. Wann also im ›George V.‹?«
»Heute abend. Neun Uhr?«
»Akzeptiert. Ich freue mich.«
Lobow legte auf. Lyda starrte Kostas an und gab ihm den Hörer zurück. Er legte ihn auf die Gabel.
»Sie sehen mich an, als ob ich jemanden ermordet hätte!« sagte sie.
»Ein Geschäft ist kein Flirt!«
»Er hat eine jungenhafte Stimme …«
»Wenn ein Russe wie Lobow eine solche Stellung im Ausland bekleidet, ist er ein guter Kommunist.«
»Politik interessiert mich nicht. Ich habe eine Reederei, bei der sechsundzwanzig Schiffe trockenliegen! Darum allein geht es. Die Russen wollen neun Schiffe. Sie bekommen sie, wenn sie gut zahlen. Haben Sie andere Argumente, Kostas?«
Portales seufzte. Das war der Ton ihres Vaters. Von einer Sekunde zur anderen hatte Stavros umschwenken und seine Stimmung wechseln können. Und er konnte so hemmungslos
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