Die Erbin
immer, völlig anders. Oberst Pujatkin, kaum mit dem Wortlaut der Fernsehsendung von Athen vertraut, gab in Paris Alarm. Okoschkin, der sich in der Tat erholte, wurde aus der Normandie zurückgerufen und unterrichtet.
»Luciano ist ein braver Kerl«, sagte er im Büro der ›Sowjet-Export- und Handelsmission‹. »Es ist völlig unmöglich, daß er einen Verdacht hat. Mit dem Interview will er sich nur wichtig machen. Er weiß genau, daß der Karel Cipek nicht auftaucht. Er will nur an dem Millionenkuchen des Stavros' knabbern. Cipek, das ahnt er, ist weit weg; er kann sich nicht verteidigen. Also bauen wir ihn zum Verdächtigen auf. Vielleicht zahlt Penopoulos dann wenigstens eine Million Dollar!«
Die Genossen in Paris, vor allem aber Pujatkin in Moskau, teilten Okoschkins Naivität nicht. Für sie war das Interview ein Alarm. Jetzt sah man auch ein, daß es ein großer Fehler gewesen war, Okoschkin so schnell zurückzuziehen. Aber wer hatte auch damit gerechnet, daß einer den Unfall überleben könnte? Als man Luciano aus dem Meer fischte, war Okoschkin längst in Paris, und nichts konnte mehr rückgängig gemacht werden.
Stavros Penopoulos, von dem Interview aufgeschreckt, ließ sich sofort nach Athen fliegen. Battista Luciano, der so etwas erwartet hatte, begrüßte ihn in seinem Apartment. Er hatte auf dem Balkon den Tisch gedeckt. Hierhin zogen sich Penopoulos und Luciano zu einem Gespräch unter vier Augen zurück, während die anderen Herren im Wohnraum warteten und sehr kritische Gesichter aufsetzten. Sie dachten wie Okoschkin: Da will einer den Alten anzapfen. Sie dachten, aus seinem Überleben macht er jetzt Gold. Jeden gebrochenen Knochen läßt er sich in Dollars einwickeln!
Zwei Stunden blieb Stavros bei Luciano. Dann, wieder in seinem Rolls-Royce, sagte er zu Kostas Portales: »Seine Theorie könnte Wahrheit sein. Könnte! Aber wer steckt hinter diesem Cipek? Wer hat diese Kreatur gekauft?! Das muß ich wissen, um Rache nehmen zu können. Nicht den Handlanger will ich haben, sondern den Auftraggeber. Warten wir ab; vielleicht fällt Luciano noch etwas ein …«
Niemand brauchte zu warten, und Luciano fiel auch nichts mehr ein. Dafür fiel er vier Tage später aus unerklärlichen Gründen von seinem schönen Balkon und zerschellte zehn Stockwerke tiefer auf dem Straßenpflaster. Das war in der Abenddämmerung, als die Akropolis aufleuchtete, als sei sie aus rosafarbenem Marmor erbaut.
Ärzte fanden im Körper von Luciano Spuren von LSD. Das genügte, um im amtlichen Bericht mitzuteilen, Battista Luciano habe sich im Drogenrausch das Leben genommen.
Vielleicht hatte ihn die Erinnerung an das Flugzeugunglück verfolgt? Vielleicht hatte sein Hirn bei dem Absturz gelitten? Vielleicht hatte sich sogar ein Schuldkomplex in ihm entwickelt, der ihn in den Wahnsinn trieb, aus dem er nur durch LSD und schließlich durch Selbstmord flüchten konnte?
Stavros Penopoulos ließ Battista Luciano ehrenvoll bestatten. Dann modifizierte er sein Angebot an die Welt: Zehn Millionen für den Mörder von Perikles. Eine Million für den Mörder von Luciano …
Die Welt begann zu lächeln. Der alte Stavros wurde wunderlich. Auch Luciano ermordet? Sah Penopoulos jetzt überall Mörder? Erst sammelte er schöne Frauen, jetzt Mörder … Verrückte Launen eines Milliardärs?
Die amtlichen Stellen, die sich mit dem Fall befassen mußten, legten die Akten zur Seite. War bisher noch ein Quentchen Mißtrauen vorhanden gewesen – Stavros' Mordwahn bewirkte, daß man in dem Selbstmord nichts anderes als eben einen Selbstmord sah und alle Ermittlungen einstellte.
»Irgendwo tragisch war sein Leben ja immer«, sagte der Polizeipräsident von Athen im vertrauten Kreis. »Aber jetzt wird es eine Tragödie. Davon erholt sich Stavros Penopoulos nicht mehr. Es ist makaber, aber ein Gutes hat es immerhin: Er wird allmählich ruhiger werden …«
Und das Leben ging weiter.
Der Vater kümmerte sich jetzt mehr um seine Tochter. Sie war das einzige, was ihm noch geblieben war außer seinen Millionen … das Kind, das letzte, das Mädchen, das jetzt für die Zukunft erzogen wurde.
Die Erbin.
Es war selbstverständlich, daß Boris Jegorowitsch Lobow auf seinen Flugschein verzichtete. Diese Mitteilung machte er Lyda per Telefon. Sie war in Monte Carlo, wohin sie zu einer Direktorenkonferenz geflogen war. Er hörte, wie sie freudig aufschrie und dann vor Glück zu weinen begann.
»Ich liebe dich, Boris«, sagte sie. »Oh, wie ich
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