Die Erbin
…«
»Das ist eine gute Adresse.« Perikles zog die Schultern hoch. Die Maschine wurde wieder durchgerüttelt. Als er das Höhenruder betätigte, kam ihm alles ziemlich breiig vor. Dann ließ auch dieses Gefühl plötzlich nach. Erstaunt starrte er Luciano an. »Da ist nichts!« schrie er.
»Was ist nicht?« fragte Luciano.
»Das Höhenruder reagiert nicht!«
Luciano probierte es auch. Die Maschine lag, sich schüttelnd, in der Luft und stieg nicht. Mit einem Hieb schlug Luciano den Gashebel voll auf. Die Motoren heulten, die Cessna bäumte sich wie ein Rennpferd, das aus der Box schießt, dann jagte sie wieder über das spiegelnde Meer.
»Wir müssen weg!« schrie Luciano. »So schnell wie möglich an Land! Wenn wir wassern, saufen wir ab!«
»Wo ist Land?« fragte Perikles verbissen.
»Irgendwo! Die kleinste Insel … dann geht's auch auf dem Wasser. Dann können wir hinüberschwimmen!«
Die Maschine hackelte. Die Motoren wurden unruhig, der Rundlauf war gestört, es war, als käme kein Benzin mehr in die Brennkammern. Natürlich, dachte Luciano, es muß ja so sein. Wenn die Pumpen nicht mehr arbeiten, wenn die ganze Elektrik im Eimer ist …
Er sah, wie Perikles die Maschine mühsam gerade hielt. Sein Gesicht war bleich geworden.
»Sollen wir aussteigen?« fragte Luciano. »Wir haben Schwimmwesten und können die Rettungsinsel mitnehmen.«
»Aber wir haben keine Fallschirme.«
»Wir müssen so flach hinunter, daß wir abspringen können. Das ist unsere einzige Chance. Okay?«
»Okay!« sagte Perikles leise.
Sie legten die Schwimmwesten an, das Flugzeug schlingerte jetzt gefährlich und verlor sichtbar an Höhe. Luciano nahm das Gas weg, so daß die Maschine fast schon in den Gleitflug überging. Das Meer näherte sich … sie sahen die kleinen weißgekrönten Wellen, die ein schwacher Wind auftrieb.
Dann ging alles sehr schnell. Die Maschine senkte sich nach vorn und fiel in einen Sturzflug. Umsonst riß Perikles am Höhenruder … führerlos raste die Cessna der Wasserfläche entgegen. Auf nichts mehr reagierte das Flugzeug … Nach einem wilden Aufbäumen schwiegen auch die Motoren. Wie ein Stein fiel die Maschine.
Stumm, mit weiten Augen, starrte Perikles dem Verderben ins Antlitz. Battista Luciano entriegelte die Tür, der Wind des Sturzfluges heulte ihnen entgegen.
»Raus!« brüllte Luciano. Todesangst hatte ihn ergriffen, machte ihn fast wahnsinnig. Er zerrte Perikles vom Sitz und stieß ihn zur Tür. »Raus!« Das Paket mit der Rettungsinsel preßte er vor seine Brust, den anderen Arm legte er um Perikles. »Fallen lassen!«
Kurz bevor die Maschine auf die Meeresoberfläche prallte und wie eine Granate zerplatzte, stieß sich Luciano ab. Er riß Perikles mit sich, ein paar Meter flogen sie schwerelos durch die Luft, getragen von der Fliehkraft, dann war es, als prallten sie auf eine Eisplatte, Knochen zersprangen wie Glas, sie hörten das Brechen, die feinsten Nerven bis unter der Hirnschale nahmen es wahr … sie tauchten in das Wasser ein, hörten noch das Zerschellen der Maschine und verloren das Bewußtsein …
Nachmittags gegen 2 Uhr gab es auf dem Flughafen Athen-Hellinikon Such-Alarm. Aus Sapharin kam die Anfrage, ob und wann Perikles Penopoulos abgeflogen sei. Die Flugüberwachung wurde munter. Bisher hatte man es nicht für bedeutungsvoll gehalten, daß der Funkkontakt mit der Cessna unterbrochen war. Das kam bei Perikles öfter vor. Daran war man gewöhnt. Wenn alles in Ordnung war, schaltete er um auf Musik und meldete sich erst in einem gewissen Sicherheitsabstand beim Anflug auf sein Ziel. Auch daß der winzige Punkt auf dem Radarschirm verschwunden war, hatte niemand beachtet. Jetzt, nach der dringenden Anfrage, wurde alles sehr dramatisch.
Man rief nach Perikles Penopoulos. Man suchte den Luftraum ab. Nichts. Man fragte Maschinen, die in dem gleichen Luftraum flogen; sie hatten nichts gesehen. Nirgendwo ein Funkkontakt.
In Sapharin saß der alte Stavros auf der Terrasse seines Hauses und starrte in den weiten Park. Keiner wagte ihn anzusprechen. Auch Nany schwieg. Sie saß abseits, schön, zart, zerbrechlich, in einem einfachen weißen Frotteekleid, und legte Patiencen.
Nach einer Stunde stand Stavros auf, ging zu ihr hinüber, stieß den Tisch mit einem Tritt um und stapfte über die Karten hinweg ins Haus. Nany blieb sitzen, steif, eine Luxuspuppe, das schmale Gesicht beherrscht von der riesigen Sonnenbrille. Ein Diener kroch zu ihren Füßen herum, sammelte die
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