Die Erbsünde
Deon konnte nicht genau sehen, womit sie belegt waren, dem Geruch nach mit Fisch. Snoekfisch, den aßen die Farbigen so gern. Robby betrachtete die beiden interessiert, als gehe etwas vor, das er nicht verstand. Dann begann er, rasch zu essen. Um seine Unfreundlichkeit wiedergutzumachen, aber auch weil die Brote ihn daran erinnert hatten, fragte Deon: »Wie geht's deiner Mutter?«
»Gut, gut«, sagte Philip, »es geht ihr gut.«
Es klang gezwungen, also fragte Deon weiter. »Wo wohnst du jetzt?«
»Selbe Straße. Selbes Haus. Immer noch Distrikt Sechs.«
»Hat sie noch den Job? In der Fischkonservenfabrik?«
Philip nickte. Er nippte wieder an seinem Tee, die Tasse verdeckte sein Gesicht.
»Sie ist eine prächtige Frau. Wie sie geschuftet hat, damit du zur Uni gehen kannst, mein' ich.« Deon wußte, daß seine Begeisterung leicht falsch klingen mochte, dennoch war er aufrichtig. »In der Fabrik kann sie ja nicht viel verdienen. Es kann ihr nicht leicht gefallen sein.«
Philip schwieg. Er sah auf seine Brote hinunter. Er hatte noch nicht hineingebissen, seit die beiden sich zu ihm gesetzt hatten.
»Ich weiß, du hast Stipendien gewonnen«, fuhr Deon unsicher fort und hoffte, nichts Falsches gesagt zu haben. »Aber es muß trotzdem ein großes Opfer für sie gewesen sein.«
Wieder schwieg Philip. Er schwieg so lange, daß Deon glaubte, er habe ihn mißverstanden und fühle sich nun beleidigt. Aber endlich sagte Philip leise: »Es war nicht leicht.«
»Das ist es«, sagte Deon erleichtert, »das meinte ich eben.«
Philip sah flüchtig Deon an, dann über die Schulter zu den Schachspielern, und sagte beiläufig: »Dein Vater hat auch viel geholfen.«
Deon blickte ruckartig auf. »Was?«
Wieder dieser ruhig forschende Blick. »Wusstest du das nicht?«
»Mein Vater? Bist du sicher?«
Philip nickte nachdrücklich. »Er hat uns geholfen. Ohne ihn wäre ich nie durch die ersten zwei Jahre gekommen.«
»Donnerwetter.«
»Hast du es denn nicht gewußt?«
»Keine Ahnung. Bis jetzt.« Deon kaute an dem gelblichbraunen Brei aus Fleisch und Reis, dankbar, daß er so nicht zu sprechen brauchte. Das hatte sein Vater also getan, ohne ein Wort davon zu sagen. Noch erstaunlicher aber war die Tatsache, daß er sich ausgerechnet vor sechs Jahren dazu entschlossen hatte, zu einem Zeitpunkt, als der Rassenhass wieder hochgepeitscht wurde und er selbst allerhand dazu beigetragen hatte. Das bewies einen unerwartet hohen Grad an Objektivität. Nein. Im Gegenteil. Sein Vater glaubte einfach, daß man mit guten Werken im eigenen Heim beginnt, und Flip gehörte zum Wamagerskraal, wenn er auch nur ein Farbiger war. Trotzdem war Deon überrascht und freute sich.
»Donnerwetter«, sagte er wieder.
Vielleicht hörte Philip eine Art Genugtuung aus seiner Stimme, denn er sagte ruhig, aber mit spöttischem Nachdruck: »Wir waren sehr dankbar für die Unterstützung.«
»Nun, wahrscheinlich glaubte er, daß er es euch schuldig ist«, meinte Deon verwirrt. Philips ironischer Unterton ärgerte ihn. Du magst ja gescheit sein, dachte er, aber vergiß nicht, daß es Van der Rietsches Geld war, das dich hierher gebracht hat. Aber sofort schämte er sich des Gedankens. »Nimm mich doch mal mit, wenn du deine Mutter besuchst«, sagte er mit erzwungener Herzlichkeit.
Philip lächelte. »Ja. Irgendwann mal.«
Robby unterbrach diplomatisch im richtigen Moment. »Kann mir wohl einer von euch Notizen über Blutkrankheiten abtreten?« fragte er. »Ich hab' meine David Fowler geliehen, und das Rindvieh hat sie verloren.«
»Du kannst meine haben«, sagte Philip.
»Meine auch«, sagte Deon schnell, »ich brauche sie nicht mehr.«
Es schien, als gebe ihre Großzügigkeit neuen Anlass zu einer Missstimmung, aber Robby rettete die Situation, indem er Philip dankend zunickte.
»Dabei fällt mir ein«, sagte Deon, »war das nicht eine tolle Röntgenaufnahme heute? Das Kind?«
»Was fehlte dem Mädchen?« fragte Philip.
Deon und Robby sahen verlegen zur Seite. »Es ist doch idiotisch«, platzte Deon schließlich heraus. »Ich weiß nicht, warum ihr die ganze Sache nicht einfach ignoriert. Was hätte es dem Kind ausgemacht, wenn ihr nicht den Hörsaal verlassen hättet?«
Philip betrachtete ruhig Deons wütendes Gesicht. »Es ist ein ungeschriebenes Gesetz. Und glaube nur ja nicht, daß einer von uns zum Märtyrer werden will, indem er es bricht.«
»Ihr unterwerft euch der Politik der Rassentrennung, das ist alles.«
»Nun, was bleibt uns
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