Die Erbsünde
sagte sein Vater.
Einer der farbigen Arbeiter kam um die Hausecke. In den Händen hielt er respektvoll seinen fleckigen, zerrissenen Hut. An der Treppe blieb er stehen und sah zu den beiden Weißen auf.
»Jantjie sagt, die Pumpe hinter Long Hill ist kaputt«, sagte Johan Van der Riet zu seinem Sohn.
Der Farbige grinste Deon an und entblößte eine Reihe gelblicher ungleichmäßiger Zähne.
»Ich geh' jetzt runter und seh' sie mir mal an.« Er warf wieder einen Blick auf die Tenniskluft. »Kommst du mit? Ich könnte deine Hilfe brauchen.«
»Ich wollte an sich Tennis spielen gehen«, schmollte Deon.
Sein Vater wandte sich halb ab. »Wenn Boet hier wäre, müßte ich dich nicht darum bitten.« Deons Bruder war bei einer Widderauktion im Freistaat.
»Boet ist der Farmer. Nicht ich.«
»Und woher, glaubst du, stammt das Geld, um dich auf die Universität zu schicken? Es wird Zeit, daß du mal siehst, wo es herkommt.« Sein Vater zuckte mit den Schultern. »Aber wenn du lieber Tennis spielst …«
Deon warf ärgerlich den Kopf zurück. »Du läßt mir keine andere Wahl, oder?«
Sein Vater sah ihn unter den Brauen her an. »Sprich nicht in diesem Ton mit deinem Vater«, sagte er leise.
Deon zog sich widerstrebend um. Sein Vater wartete am Tor auf ihn. Er fuhr den alten Chevrolet, den sie für die Farm benutzten. Wortlos setzte sich Deon vorn neben seinen Vater. Jantjie saß hinter ihnen, inmitten von Werkzeugkästen. Den Hut tief in die Stirn gezogen, träumte er zufrieden vor sich hin. Er durfte mit dem Auto zur Pumpe und zurück fahren, statt wie sonst zu Fuß gehen zu müssen. Seine nackten Zehen waren staubig und schwielig und sahen aus wie die schrumpligen Köpfe der Schildkröten auf den Feldern.
Der Chevrolet rumpelte mit seiner ausgeleierten Federung über die holprige Straße. Die Werkzeuge klapperten in ihren Metallkästen und machten einen solchen Lärm, daß eine Unterhaltung schwierig war. Deon war darüber froh.
Sie fuhren am Long Hill vorbei, der nicht länger oder hügeliger war als all die anderen steinigen Erhebungen, die hier und da die Eintönigkeit der weiten Ebene unterbrachen. Einmal hielt sein Vater an, und Jantjie stieg aus, um den Zaun auszubessern, den man zum Schutz gegen die Schakale errichtet hatte.
An der Pumpe angekommen, fanden sie, daß der Kolben abgerissen und das Hauptgetriebe zum Teil defekt war. Sein Vater pfiff fröhlich durch eine Zahnlücke, als er und Jantjie sich daranmachten, das schadhafte Getriebe herauszumontieren. Er war so recht in seinem Element, wenn er sich einem schwierigen technischen Problem gegenübersah. Er trug ständig einen Klappstuhl mit Ledersitz mit sich herum, und auf den setzte er sich jetzt und machte sich mit einem riesigen Schraubenzieher und einem Hebel zu schaffen.
»Es kommt«, rief er, und zu Jantjie, der zu ungestüm zog: »Vorsicht, baboon!« Seine Worte waren gutmütig, und Jantjie grinste und spuckte in den Staub.
Deon konnte nicht viel tun, er stand hinter seinem Vater, sah ihm über die Schulter hinweg zu und reichte ihm die Werkzeuge, wie sie gebraucht wurden. Johan Van der Riet hatte den Hut abgenommen, und der Streifen Haut an seiner Stirn, der sonst beschattet war, leuchtete erschreckend weiß im Gegensatz zu dem tiefgebräunten und verwitterten Gesicht. Mit einem leisen Schrecken bemerkte Deon, daß das dunkle Haar sich schon zu lichten begann. Er sah zu Deon auf. Über die Wange lief ein Schmierstreifen, wo er sich achtlos den Schweiß abgewischt hatte.
»So«, sagte er. »Was hat man euch denn dieses Jahr beigebracht, außer wie man Leichen zerschnippelt?«
Die Spannung löste sich. Sie waren Vater und Sohn, und auch Freunde.
»Na ja, Histologie, Biochemie und so weiter. Die Hauptfächer sind natürlich Anatomie und Physiologie. Aber es gehört sonst noch alles mögliche dazu. Anthropologie und Entwicklungslehre zum Beispiel.«
»Entwicklungslehre.« Sein Vater grunzte verächtlich. »Sag bloß, das müßt ihr auch lernen.«
Deon versuchte ein leichtes, ungläubiges Lachen. »Na klar, das gehört doch alles mit zu den Naturwissenschaften.«
»Daß der Mensch vom Affen abstammt? Wissenschaft? Das ist mir vielleicht 'ne schöne Wissenschaft!«
»Ganz so einfach ist es nicht. Das gehört natürlich dazu, aber es steckt noch viel mehr dahinter.«
»Jedenfalls reden sie dir das ein«, sagte sein Vater trocken, »all deine gescheiten Professoren. Je komplizierter man es ausdrückt, um so mehr steckt dahinter,
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