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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
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Wissenschaftler, Boet erbt die Farm, weil er der Älteste ist, aber in den Augen Gottes seid ihr gleich, vorausgesetzt, ihr tut Seinen Willen.«
    Es hatte keinen Sinn, weiter zu streiten. Wissenschaftlich gesehen war das, was sein Vater sagte, bedeutungsloses Gewäsch, das jeder Logiker in wenigen Minuten zunichte gemacht hätte. Aber seinen Vater konnte man nie überzeugen. Keinen Zentimeter wich er von dem ab, was er sich einmal in den Kopf gesetzt hatte. Dieser Starrsinn war eine Eigenschaft, die alle Mitglieder der Familie hatten und auf die sie eigentümlich stolz waren. Von seinem Großvater erzählte man heute noch, wie er vor neunundvierzig Jahren hier nach Wasser hatte graben lassen. Der Wassersucher war gekommen und hatte gesagt, es sei kein Wasser da. Sein Großvater wußte, daß Wasser da war. »Bohr ein Loch«, sagte er. Nach zwanzig Metern – kein Tropfen Wasser. »Tiefer«, sagte der alte Van der Riet, obwohl im ganzen Distrikt kein Loch tiefer ging. Nach weiteren zehn Metern – nichts, nur Gestein. Die Arbeiter rebellierten, aber sein Großvater stand mit verschränkten Armen an der Maschine und sagte: »Bohrt tiefer.« In fünfundvierzig Meter Tiefe fanden sie so viel Wasser, daß die Testpumpe eine Woche lang auf Hochtouren lief.
    Von hinten stieß ihn jemand an. Es war Robby, der kluge und gescheite Robby, der sich hinter einer Fassade von Witzeleien verbarg. Er grinste Deon an. »Keine Bange, alter Knabe, vielleicht passiert es gar nicht.«
    »Ist schon passiert«, ging Deon auf den Scherz ein.
    Auch Robby lachte. »Kommst du mit in die Mensa?«
    »O.K.«
    Sie gingen zusammen die steilen Stufen hinunter. Robby sprach beiläufig über Mädchen und Saufereien, Deon antwortete abwesend. Er dachte noch immer an seinen Vater. Die Leute nannten sie ›die dickköpfigen Van der Riets‹, und sein Vater war ein echter Van der Riet und stolz darauf. Er wußte genau, was recht und was unrecht war, und keiner konnte ihn von seiner Überzeugung abbringen. Würde er es verzeihen können, daß sein Sohn, ein Van der Riet von Wamagerskraal, mit einem Mädchen geschlafen und sie schwanger gemacht hatte und nicht im entferntesten daran dachte, sie zu heiraten? Würde er überhaupt verstehen, daß so etwas geschehen kann?
    Nie, dachte Deon. Nicht in Millionen Jahren. Nicht einmal in sechshundert Millionen Jahren.
    Er ging hinter Robby durch die Schwingtüren der Mensa. Sie blieben stehen und sahen über die Reihen der plastikbedeckten Tische. Gleich bei der Tür saßen wie üblich die farbigen Studenten. Zwei hockten über einem Schachbrett, die andern sahen schweigend zu. In einer Ecke saß Philip Davids allein an einem Tisch. Vor ihm aufgestützt stand ein Lehrbuch, in dem er während des Essens las. Er sah nicht auf, als sie an ihm vorbei zur Theke gingen. Sie kamen mit ihren Tellern zurück; es gab Reis mit Curry, und Robby wollte wieder an Philip vorbei zu einem Tisch an der Wand, aber Deon kam ihm zuvor.
    »Hier«, sagte er und setzte sich an Philips Tisch. Philip und Robby sahen ihn leicht überrascht an. Zwar galt hier keine Rassentrennung, aber selten mischte man sich zwanglos untereinander. Deon erinnerte sich, wie es ihn am Anfang vor sechs Jahren irritiert hatte, zu sehen, wie Schwarze und Weiße miteinander verkehrten.
    Besonders aufgebracht hatte es ihn, weiße Mädchen mit farbigen Männern zusammen zu sehen. Manche Mädchen legten es direkt darauf an, nett zu den Farbigen zu sein. Theoretisch war er natürlich darauf vorbereitet gewesen, aber in der Praxis war es anders. Etwas Spannung und Ressentiment blieb immer.
    Jetzt wußte er selbst nicht genau, warum er sich an Philips Tisch gesetzt hatte. Vielleicht wegen des kleinen Vorfalls vorhin im Hörsaal. Vielleicht auch nicht. Aber er blieb entschlossen sitzen, und nach kurzem Zögern folgte Robby seinem Beispiel.
    Philip aß Brote aus einer braunen Papiertüte. Er schnipste ein paar Krümel vom Tisch und schob das Buch beiseite, um Platz zu machen. Deon sah flüchtig auf den Titel. »Wie kommst du voran?« fragte er mit einem Nicken zum Buch hin.
    »Geht so«, sagte Philip. Er nippte bedächtig an der dicken Teetasse mit dem Wappen der Universität. Schließlich sagte er: »Und du?«
    »Soso. Ich arbeite an der Kardiologie.«
    »Aha.«
    Philips nichts sagende Art ärgerte Deon, er konnte sich nicht verbeißen, sarkastisch zu sagen: »Prüfungsangst brauchst du ja keine zu haben, wie?«
    Philip erwiderte nichts. Er fingerte an den Broten herum.

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