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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
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sein. Es gab gar nichts zu befürchten. Glaub mir, Trish. Sie hatte ihn still und teilnahmslos mit ihren katzengrünen Augen angesehen, und er hatte geredet und geredet.
    Er war überzeugt, daß sie sich von seinen verzweifelten Ergüssen nicht im geringsten täuschen ließ, daß sie durch das Gespinst seiner Lügen und Ausflüchte sah und den bitteren Kern der Wahrheit erkannte: Er hatte Angst. »Schiß in der Hose, wie?« hatte der Mann am Telefon hämisch gesagt.
    »Hast du Angst?« Die Frage hatte unausgesprochen in Trishs Augen gestanden.
    Angst, eine Abtreibung durchzuführen? Oder Angst, zu sagen: »Komm, wir heiraten, es wird schon alles gut gehen.« Dann blieb aber noch die Frage: Würde sie ihn überhaupt heiraten wollen? Diese neue Trish, die ihn durchschaut hatte und verstand, ohne Bitterkeit, aber auch ohne Erbarmen.
    Angst, daß eine überstürzte Heirat so kurz vor dem Examen seiner Karriere schaden könnte? (Zumal die Gründe dafür in wenigen Monaten nur zu offenbar wurden.) Wer konnte ihm das Recht absprechen, die Dinge von einem rein egoistischen Standpunkt aus zu sehen? Wollte er sie den überhaupt heiraten? Gut im Bett. Manchmal sogar großartig. Einmal war sie eine richtige kleine Hexe: wild, aggressiv, willig, mehr als willig, Neues auszuprobieren, wehzutun und sich wehtun zu lassen. Dann wieder war sie das scheue, verlorene Mädchen. Oder zärtlich verspielt in ihrer Hingabe. Hexe oder Heilige, nie wußte er, welche Rolle sie spielen würde, und es hatte ihn immer betört. Aber war das genug für eine Ehe?
    Um Gottes willen, das klingt schon nach Herzensbriefkasten in einer Illustrierten: Liebe Frau Irene, ich habe ein Mädchen geschwängert. Was soll ich tun?
    Sei ehrlich, sagte er zu sich selbst, du suchst nur Ausreden.
    Verdammt, dann mach' ich es selber.
    Ich kann nicht. Und wenn es schief geht?
    Aha. Jetzt kommen wir der Sache schon näher.
    An einem Nachmittag zu Beginn des Jahres hatte er bei Operationen in der gynäkologischen Abteilung helfen dürfen. Der Chirurg hatte ihm erlaubt, bei einer Hysterektomie den Wundhaken zu halten. Anschließend war er mit Dr. Malan, dem Assistenzarzt, im Ankleideraum geblieben. Malan hatte vor kurzem promoviert und war noch ganz stolz auf seinen neuen Titel; eifrig war er darauf bedacht, daß man ihn mit ›Doktor‹ anredete. Wenn man ihn näher kannte, war er aber ganz nett. Malan hörte ihn gerade über ein paar gynäkologische Themen ab, als das Telefon schellte. Er griff mit einem Seufzer nach dem Hörer und meldete sich gelangweilt. Deon, der ihn von der Seite beobachtete, sah, wie seine Halsmuskeln sich strafften und er sich langsam im Stuhl aufrichtete, bis er kerzengerade saß.
    »Ja«, sagte er heiser, »ja, Doktor. Sofort, Sir.«
    Er hielt den Hörer eine Sekunde in der Luft, ehe er ihn unwillig auf die Gabel warf. Im gleichen Augenblick hörten sie von fern das Aufheulen der Sirenen der Ambulanz.
    »Was ist los?« fragte Deon ahnungslos.
    Malan sah ihn entgeistert an, als ob er sich erinnern müsse, wer er überhaupt war. Dann fauchte er: »Dalli, Kleiner. Wir müssen zur Unfallstation, künstlicher Abort. Sie blutet pulslos.«
    »Komm' ja schon«, murmelte Deon, der den Ernst der Lage noch nicht erkannte. Er erhob sich vom Tisch, an dem er halb sitzend gelehnt hatte. »Aber was ist denn passiert?«
    Malan riß einen weißen Kittel vom Haken und warf ihn hastig über. Er war schon halb durch die Tür. »Die Tochter von Piet Dannhauser«, rief er. »Künstlicher Abort.«
    Deon wurde von Malans Panik angesteckt und holte ihn im Laufen ein, als er den Gang entlang hastete. »Piet Dannhausers Tochter?«
    »Ja. Sagt jedenfalls der Aufnahmearzt.« Malan schüttelte verständnislos den Kopf. »Das muß man sich mal vorstellen. Dem Alten gehört halb Kapstadt. Und wenn diese dumme Gans von einem Töchterlein sich einen Bankert machen läßt, traut sie sich nicht, es Papi zu sagen. Also geht sie zu einem von den miesen Brüdern, die's mit der Stricknadel machen.« Er lief eilig die Treppe hinunter, seine Absätze hämmerten einen wirbelnden Rhythmus auf die Fliesen, als müsse er seiner Wut Luft machen. »Aufhängen sollte man solche Typen«, sagte er, »verfluchte Mörder.«
    Als sie in die Unfallstation kamen, fuhr der Krankenwagen schon vor. Malan winkte überflüssigerweise den Wärtern. Die Unfallschwester war bereits unterwegs zur Tür, die Pflegerinnen hinterher. Deon wurde achtlos beiseite geschoben. Studenten waren bei einer Krise nur im

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