Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
Vom Netzwerk:
Er umklammerte, starr vor Angst, das Steuerrad, als der Schutzmann gemächlich näher kam. Sei kein Idiot, sagte er sich. Das ist bloß ein Bulle auf seiner Runde, der ist hinter Dieben, Räubern und Mördern her, nicht hinter dir.
    Aber er konnte seine Panik nicht bezähmen. Er stierte stur geradeaus, als der Polizist näher kam; aus Angst, daß sein Gesichtsausdruck ihn verraten könne, wagte er nicht, den Kopf zu wenden. Die Schritte schienen sich zu verlangsamen, kurz zu zögern (wenn er mich jetzt anspricht, kann ich ihm nicht antworten, meine Zunge will einfach nicht), dann ging er vorbei, mit ruhigen, gleichmäßigen Schritten. Deon sah ihm nach, bis er im Schatten verschwand.
    Erneut Schritte, leicht und schnell. Trish. Er hatte sie gar nicht um die Ecke biegen sehen. Er versuchte, in ihrem Gesicht zu lesen, wie es ihr ergangen war, aber in der Dunkelheit konnte er nichts sehen. Er stieg aus, um ihr die Tür zu öffnen, aber sie war schneller und hatte sie schon selbst geöffnet. »Alles in Ordnung?«
    Sie nickte, ohne ihn anzusehen.
    »Bestimmt?« fragte er forschend.
    Sie stieg ein, hob den Rock vorsichtig hoch, damit er nicht in der Tür klemme; es war wieder ein grüner, diesmal mit einem kleinen weißen Blumenmuster. »Ganz bestimmt«, sagte sie mit belegter Stimme.
    Er schloß die Tür und ging hinten um den Fiat herum. Plötzlich war er ganz wach. Er empfand eine Mischung von namenloser Erleichterung und Scham. Er setzte sich ans Lenkrad. Im Auto roch es stark nach Desinfektionsmitteln. Er startete den Motor, schaltete die Scheinwerfer ein und fuhr ab. Sie schwiegen. An der nächsten Ampel mußte er halten.
    »Wohin fahren wir?« fragte sie, noch immer mit dieser seltsam veränderten Stimme.
    Er war gezwungen, sie anzusehen. Ihr Gesicht war noch dasselbe. Sie war noch immer Trish, die alte Trish, mit ihrem roten Haar, den ungleichmäßigen Zähnen, und den Lippen, die sich beim Lächeln nach unten verzogen. Jetzt lächelte sie nicht. Nicht daß sie niedergeschlagen oder verärgert ausgesehen hätte. Nur lächelte sie nicht.
    »In meine Wohnung«, sagte er, »so war es doch abgemacht, oder nicht? Da bleibst du, bis … nun ja … bis es kommt.«
    »Ja«, sagte sie.
    Apathisch, dachte er. Das ist das richtige Wort. Sie ist passiv geworden, als sei ihr alles egal, was jetzt noch mit ihr geschieht. Das war nie ihre Art gewesen. »Willst du mir erzählen, wie es war?« fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf. Er bog um eine Ecke. Sie fuhren jetzt durch dichten Verkehr, es war eine der Hauptstraßen, die direkt in die Innenstadt führten. Er war froh, daß er sich aufs Fahren konzentrieren mußte. Dann sagte sie zu seiner Überraschung: »Es war gar nicht so schlimm.«
    Sie sagte es leichthin, fast tröstend. Sie will mir Mut machen, dachte er und war gerührt. Er versuchte, auf ihren unbekümmerten Ton einzugehen, und lächelte sie erleichtert an. »Nicht so schlimm, wie du es dir vorgestellt hast?«
    »Nein.« Nach einer kleinen Pause fuhr sie, wie unter einem Zwang, fort. »Also, ich mußte mich ausziehen, und dann mußte ich mich auf den Fußboden legen, und …«
    »Auf den Fußboden?« unterbrach er beunruhigt.
    »Ach, sie hat zuerst eine Menge hingelegt.« Sie machte eine lässige Bewegung mit dem Handgelenk. »Sicher alles steril. Es wirkte alles sehr sauber. Sie hatte auch Gummihandschuhe an.«
    »Ein Trost.«
    »Dann«, fuhr sie unbeirrt fort, »desinfizierte sie mich, und dann nahm sie dieses Ding, dieses Instrument …«
    Sie hielt inne, als versuche sie sich zu erinnern, und fuhr dann mit derselben Stimme fort, in demselben beherrschten Tonfall, und doch klang sie anders, als ob eisig dunkle Ströme vom Meeresgrund an die Oberfläche drängten. »Es hat nicht weh getan. Es war nur irgendwie unangenehm, als sie das Zeug reinspritzte … Ich glaube, es war Öl, irgendein Öl, so fühlte es sich an. Aber weh getan hat es nicht«, wiederholte sie mit wachsendem Grauen und selbstquälerischem Zweifel, »es war nur etwas unangenehm, so als wenn man ein Klistier bekommt, stelle ich mir vor.«
    Bitte hör auf, wollte Deon sagen. Du weißt nicht, was du dir damit antust. Aber er schwieg erschüttert.
    »Fünf Minuten später hat sie es noch mal gemacht. Das war alles«, fügte Trish ungläubig hinzu.
    Bitte lass sie jetzt nicht hysterisch werden, betete Deon. Lass sie nicht anfangen zu schreien, hier auf der Straße.
    Zum ersten Mal, seit sie ins Auto gestiegen war, sah sie ihn voll an. Er wagte nicht,

Weitere Kostenlose Bücher