Die Erbsünde
mir.«
»Schön, schön. Und dann machst du deine Praxis in unserer Stadt auf? Wir können einen gescheiten Arzt brauchen.«
»Ich weiß nicht. Ich habe mich noch nicht entschlossen.«
»Ach was, komm zu uns. Wir brauchen dich, Mann. Und außerdem – du mußt bald mal sehen, daß du dich auf eigene Füße stellst. Die Farm kann nicht ewig für dich aufkommen.«
Boet hatte schon vor dem Essen ein paar Kognaks getrunken und zum Essen Wein – jetzt blitzten seine Augen angriffslustig, und er sprach mit schleppender Zunge.
Reiß dich zusammen, ermahnte Deon sich. Laut sagte er mit gleich bleibender Stimme: »Ich werde schauen, daß mein Einkommen ausreicht, ganz gleich, wofür ich mich entscheide.«
»Gut.« Boet hatte offenbar gemerkt, daß Deon wütend war. Er nippte an seinem Kognak und lehnte sich versöhnlich vor. »Mann«, sagte er mit einem Mitgefühl heischenden Blick, »du hast keine Ahnung, wie schwer es ist, so eine Farm in Gang zu halten.«
»Jeder Beruf hat seine Schwierigkeiten«, erwiderte Deon kühl.
»Du glaubst, ich jammere dir nur was vor, wie?« sagte Boet erbittert. »Du scheinst zu denken, daß ich die Farm geschenkt kriege. Ich will dir mal was sagen: Ich würde sie gut und gerne gegen dein schönes, sicheres Gehalt eintauschen.«
»Dafür muß ich schwer arbeiten.«
»Und ich auch, Junge. Weißt du, daß wir diesen Winter fast zweihundert Schafe verloren haben? Aber davon habt ihr ja keine Ahnung hier in der Stadt.«
»Vergiß nicht, daß ich auf einer Farm groß geworden bin«, sagte Deon kalt.
Boet war zerknirscht. »Verzeih, Boetie«, bat er und benutzte Deons Spitznamen aus ihrer frühesten Kindheit. »Ich hab's nicht bös gemeint, Junge.« Er wandte das Gesicht ab und rammte die Faust in die flache Handfläche. »Herrgott, es ist hart, wenn die Tiere um dich herum wie die Fliegen sterben.«
»Das kann ich mir vorstellen«, lenkte Deon verständnisvoll ein.
»Verdammt bitter.« Boet schwenkte die dunkelgoldene Flüssigkeit im Glas herum. Plötzlich setzte er sich heiter im Sessel auf. Er war immer schon sprunghaft gewesen, nichts hatte ihn je lange bedrückt. »Ach, zum Teufel damit. Noch sind wir nicht im Grab.« Die Gläser hatten nasse Ringe auf der Tischplatte hinterlassen, und Boet fing an, mit seinem feisten Zeigefinger Muster darauf zu malen.
»Ich kann dir sagen, die Wollpreise stehen schlecht. Aber ich weiß, wie ich die Farm wieder in Schwung kriege. Der ›Baas‹ hat sich in der letzten Zeit nicht so recht darum kümmern können. Hör mal zu, was ich vorhabe …« Er breitete das Gespinst seiner Träume und Pläne vor Deon aus, und der beobachtete ihn zärtlich und ein wenig wehmütig, denn er fühlte sich ihm als Freund und als Bruder entfremdet.
»Kapital«, schloß Boet, wieder mutlos, »das ist das Problem.«
»Wenn du deiner Sache so sicher bist, nimm doch eine Hypothek auf«, schlug Deon vor.
»Du glaubst doch wohl nicht, daß der Baas so etwas dulden würde? Aber davon ganz abgesehen, du hast keine Vorstellung, wie belastet wir schon sind.«
»Wenn es wirklich so schlecht steht, verzichte ich dieses Jahr auf meine Unterstützung. Ich werde es schon ohne schaffen.«
Boet hob einhaltgebietend die Hand. »Kommt nicht in Frage! Das steht dir zu. Dein Geburtsrecht kann dir niemand verweigern.«
Deon machte keine Einwände, da Boet offenbar in seiner Anwandlung von Großherzigkeit nicht umzustimmen war; außerdem hatte er schon überschlagen, daß es wirklich nicht leicht sein würde, mit seinem kläglichen Gehalt auszukommen.
Boet winkte ihn mit einem verschwörerischen Kopfnicken näher heran. »Sag mal, du weißt doch sicher, was in der Stadt so läuft …«
Deon wußte nicht so recht, was sein Bruder meinte.
»Du weißt schon. Nach all den Jahren kennst du dich doch sicher aus …«, druckste Boet herum.
»Na ja.« Deon sah in das vom Alkohol gerötete Gesicht seines Bruders. War es möglich, daß Boet, der seit vier Monaten verheiratet war und schon einen Speckbauch ansetzte, ein Mädchen suchte?
»Also, um zur Sache zu kommen, was würdest du tun, wenn du ein Paket hättest? Wie würdest du es loswerden?«
»Ein Paket?« sagte Deon verdutzt.
»Klar.« Boet grunzte unwillig. »Diamanten, Mann. Ein Paket Diamanten.«
»Ach so.« Deon überlegte kurz. »Das kann ich dir genau sagen«, meinte er dann, »ich würde nach Sea Point fahren …«
»Ja, und dann?« Boet war ganz Ohr.
»Dann würde ich irgendwo anhalten, wo mich keiner sieht, und
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