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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
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Überlegenen anzuerkennen.
    Ach, was zermartere ich mir deswegen das Gehirn? dachte er. Hoffentlich macht Boet nur keine Dummheiten.

Frühling
10
    Sie war eine tüchtige Krankenschwester. Ihre Ausbildungszeit auf der Station hatte sie gelehrt, sich gegen das Leid, dem sie dort täglich begegnete, gefühllos zu machen, selbst wenn alles in ihr sich dagegen aufbäumte.
    Sie half Mary-Jane Fowler beim Anziehen. Sie schnallte ihr den Gürtel mit den beiden Plastiktaschen um die Taille und streifte ihr ein lustig geblümtes Kleidchen über den Kopf. Das Kind plapperte fröhlich daher. Die Schwester war schweigsam. Sie trat zur Seite, als Professor Snyman und Deon ans Bett des Kindes traten.
    »Was muß ich hören?« wetterte der alte Mann mit gespielter Entrüstung. »Du willst uns heute verlassen?«
    Die Kleine nickte lächelnd. Plötzlich besann sie sich und sagte ernsthaft den offenbar auswendig gelernten Satz auf: »Lieber Herr Professor, Dankeschön für alles, was Sie für mich getan haben!«
    Die Schwester vergaß all ihre Disziplin und rannte schluchzend aus dem Krankensaal. Professor Snyman zuckte leicht zusammen, sah ihr nach und schob seine Brille hoch.
    »Na, na«, sagte er leise, »was soll das Getue?«
    Mary-Jane kramte in ihrem Nachttisch nach den Sachen für ihre Puppe.
    »Sagen Sie der Schwester, sie soll wiederkommen und dem Kind helfen«, befahl Snyman Deon. »Sie können mich nachher in meinem Büro sprechen.«
    Er lächelte Mary-Jane zu und wandte sich zum Gehen. Die Vorhänge waren inzwischen um das Bett zugezogen worden, und Snyman suchte in den Falten nach dem Spalt, fummelte blind an dem dünnen Stoff …
    In seinem Büro zeigte Professor Snyman Deon den Pathologiebericht.
    »Die Lymphdrüsen zeigen keine Spuren des Tumors. Ich glaube, das ist der Beweis, daß wir Mary-Jane geheilt haben.«
    »Wovon?« murmelte Deon.
    Snyman blinzelte ihn scharf an. »Vom Krebs natürlich. Wenn die Drüsen nicht betroffen sind, haben wir offensichtlich den Krebs total entfernen können.«
    »Das meinte ich nicht, Sir.«
    »Und darf ich fragen, was Sie meinen?« Er hob höflich interessiert die Brauen, aber in seinem Blick lag eisige Ablehnung.
    »Wie können Sie sagen, das Kind sei geheilt?« Deon stürzte sich verwegen in die Diskussion. »Sie ist jung, also wird ihr Körper sich bald erholen. Außer ein paar Narben und den beiden Öffnungen für Darm und Blase ist nichts zu sehen. Aber wie sieht ihre Zukunft aus? Sollten wir nicht auch danach fragen? Alles, was wir mit unserer so genannten chirurgischen Geschicklichkeit zuwege gebracht haben, ist, daß sie als Frau vernichtet ist. Ihr Schicksal stand doch von vornherein unter einem bösen Stern, warum dann noch das Elend fortsetzen?«
    »Elend? Das Kind da drüben soll elend sein?«
    »Später«, beharrte Deon, »wenn es ihr zum Bewußtsein kommt.«
    »Sie sprechen von Schicksal«, sagte Snyman. »Wenn Sie Gerechtigkeit fordern, dann verlangen Sie zuviel vom Leben. Es ist kein …« Der alte Herr hielt inne. Er ging um den Schreibtisch herum ans Fenster. »Kommen Sie mal her. Was sehen Sie da?«
    Deon starrte aus dem Fenster. Berge, Häuserblocks, fließender Verkehr. Er sah sich ratlos nach Snyman um.
    »Hier! Hier vorn!« sagte Snyman ungeduldig. »Auf der anderen Straßenseite!«
    »Ach so! Der Friedhof, Sir.«
    »Genau.« Der alte Herr schmunzelte grimmig. »Alle paar Jahre gibt es ein Palaver, weil der Friedhof gleich vor dem Krankenhaus liegt. Es ist keine gute Reklame, sagen die Leute. Wenn sie mich fragen – ich finde, es ist eine nützliche Mahnung für uns Ärzte. Wir brauchen das von Zeit zu Zeit.« Er lehnte sich gegen den Schreibtisch. »Eins habe ich gelernt, mein Junge«, sagte er unerwartet freundlich. »Es gibt keine große Ethik von Leben und Tod. Man kratzt sein bißchen Wissen, List und Intuition zusammen, das man mühsam erworben hat, und versucht, die richtige Entscheidung zu treffen. Das ist das einzige, das wir tun können. Sehen Sie das ein?«
    »Ja, Sir.«
    Professor Snyman seufzte. »Ach, gar nichts sehen Sie ein. Sie halten mich für nichts weiter als einen alten Schwätzer. Sie glauben noch, daß die Medizin eine exakte und absolut vollkommene Wissenschaft ist. Tut mir leid, mein Junge, aber das kann sie nicht sein, solange das Leben nicht absolut vollkommen ist. Also nie.«
    Er sah durch Deon hindurch, als spreche er nur zu sich selbst.
    »Wir sind geneigt, zu vergessen, daß die Medizin nicht mehr als nur eine Erweiterung des

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