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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludek Pesek
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Nacht anstatt der vorausgesetzten minus fünfundsechzig nur minus neununddreißig Grad.Am vierten Tag besserte sich die Situation wenigstens insofern, als der Staubnebel zur Erde sank. Ich sage zur Erde, obwohl der Boden unter unseren Füßen nicht die Erde war. In diesem Wort lag jedoch das Symbol von etwas Bekanntem und Festem, und während der ganzen langen Zeit unseres Aufenthaltes auf dem Mars benutzten wir keinen anderen Ausdruck. Das Bild der umliegenden Landschaft wurde immer deutlicher. Es blieb jedoch etwas Trübes in der Atmosphäre, so daß der Horizont völlig mit dem Firmament zu einem bläulichgrauen Streifen verschwamm. Der Staubnebel sank zwar zu Boden, dafür aber verhüllte sich der dunkle Himmel, an dem auch mittags die Sterne leuchteten, mit einem bleichen violetten Schleier, und um die Sonne bildete sich in den Mittagsstunden ein riesiger, gelblicher, am Rande grün gefärbter Lichtkreis. Morphy war von dieser Erscheinung begeistert. Einen anderen Grund zur Begeisterung hatten wir nicht.
    Ich hatte den Eindruck, daß der Kapitän nervös wurde, weil die Arbeit an der Errichtung der Basis nach fünf Tagen unseres Aufenthaltes auf dem Mars eigentlich kaum begonnen hatte. Schließlich hatte er Grund zur Beunruhigung, denn obwohl der Übergang vom Zustand der Schwerelosigkeit zu den Verhältnissen auf der Marsoberfläche theoretisch genau bekannt war, sah die Wirklichkeit doch ein bißchen anders aus. Der menschliche Organismus paßt sich irgendwie schwer an. Vielleicht bin ich sozusagen aus beruflichen Gründen voreingenommen. Ich glaube nämlich, daß das Wesen aller Schwierigkeiten im Unterbewußtsein liegt: Die unterbewußte Angst um Luft, Wasser und um das Leben unter Bedingungen, die dem Leben absolut zuwiderlaufen. Mit Bitterkeit erinnere ich mich in diesem Augenblick an die Zeitungstiraden vor dem Start der Marsexpedition. Einen Planeten erobert man eben leichter auf dem Papier als in Wirklichkeit. In diesen Tagen, in denen sich der Gesundheitszustand derExpedition überhaupt nicht besserte - bei einigen sich sogar verschlechterte verloren wir das Wichtigste: das Zugehörigkeitsgefühl zur Menschheit. Die Verbindung mit der Erdzentrale war schon einige Tage unterbrochen. Nach kurzer Beratung mit Jenkins, O'Brien und mit uns Ärzten gab der Kapitän den Befehl zum Bau einer großen Antenne, die allein die Verbindung mit der Erdzentrale verläßlich sicherstellen konnte.
    Die schlaffen Körper krochen wieder in die schweren Raumanzüge. Diesmal galt die Arbeitspflicht für alle Expeditionsteilnehmer, außer jenen, die bei den Kontrollgeräten des Luftgenerators, des Wärmereglers und des Wasserfiltrierkreises Dienst hatten. Endlich, fünf Tage nach der Landung, hatte auch ich Gelegenheit, den Boden des Mars zu betreten. Im Augenblick, als ich mit dem Fuß den rostfarbenen Boden betrat, konnte ich mich eines Gedankens nicht erwehren, der wie Fragmente eines Films durch meinen Kopf schoß: Jahre der Kindheit, glückliche Knabenträume, mühsame Studienjahre, Jahre der Entsagung und Opfer für etwas, was meinem Leben einen Sinn geben sollte. Jetzt war dieser Augenblick da. Auf ihn zielten alle Sekunden meines früheren Lebens. Vielleicht sah dieser Augenblick anders aus, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Ja, ganz bestimmt sah er anders aus. Doch er war groß durch seine Einfachheit.
    Die für die Sockel der beiden zwanzig Meter hohen Antennenmasten ausgehobenen Gräben waren eigentlich die ersten geologischen Sonden. Der wissenschaftliche Gewinn war, nach McKinleys Urteil, sehr mager. Auf dem Grund der zwei Meter tiefen Gräben lag noch immer loses Gestein, vermischt mit abgeschliffenem Geröll jenes Gesteins, auf dem das zweite Lastschiff stand.
    Beim derzeitigen Zustand der Männer war das Ausheben der Löcher besonders anstrengend. Alle begrüßten Glennons
    Entscheidung, daß eine Tiefe von zwei Metern genüge, da die Masten ihre Stabilität durch Seile bekommen würden. Diese Seile sollten mit starken Klammern im stellenweise aus dem Boden herausragenden kompakten Gestein verankert werden.
    Zur maschinellen Ausrüstung der Expedition gehörten vier kleine Raupenschlepper, die sogenannten Eidechsen. Auf jeder Maschine war zwar nur Platz für zwei Mann Besatzung, dafür aber war der Schlepper imstande, eine unglaublich große Last auf Anhängern zu ziehen. Nach den grellen Farben zur deutlichen Unterscheidung im Gelände hießen die Schlepper Gelbe, Blaue, Grüne und Rote Eidechse. Diese

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