Die Erde ist nah
Watts einer gründlichen Untersuchung. Bis auf große Müdigkeit waren alle in Ordnung. Sie beschwerten sich über ungewöhnliche Luftfeuchtigkeit in den regenerierenden Sauerstoffgeräten; das war aber bestimmt kein Fehler der technisch erprobten Einrichtung. Die Ursache lag in der Schweißentwicklung des ungenügend akklimatisierten Körpers.
Der Staubnebel hielt sich während des restlichen Tages in der Atmosphäre. Das gelbliche, durch die Luken dringende Licht verlieh jedem Gesicht einen kränklichen Ausdruck. Keinem war zum Reden zumute.
Nach dem genau ausgearbeiteten Plan für den Bau der Basis sollte vor allem das Hauptaggregat des elektrischen Kraftwerks in Betrieb gesetzt und die Konstruktion der großen Radioantenne und des Radio- und Leuchtturms vorgenommen werden. Durch entsprechende Neigung der Befestigungsarme sollte der Modul mit den Wohnräumen so tief herabgelassen werden, daß man die unbequeme und gefährliche Schiebetreppe nicht brauchte. Ferner mußten ein großes Radioteleskop und die meteorologische Station aufgestellt werden.
Wie lange war es schon her, als wir von alldem nur träumten? Unser Traum hatte sich erfüllt. Es war aber ein kalter Traum. Um fünf Uhr nachmittags maß Morphy auf der Bodenoberfläche die Temperatur von plus zwei Grad, in der Höhe des Observatoriums, fünfzehn Meter über der Oberfläche des Planeten, minus siebenunddreißig Grad. Um sechs Uhr wurde es so dunkel, daß wir die kleinen elektrischen Orientierungslichter einschalteten. Wir mußten jetzt mit der elektrischen Energie sparen.
Ich ging in den Klub. Dort saß Gray im Finstern und spielte auf einer Mundharmonika, auf einem ganz kleinen Instrument, das in der Handfläche Platz hat und das manchmal wie ein Kind weint. Er spielte für sich allein. Ich glaube, daß er in diesem Augenblick nicht auf dem Planeten Mars war. Ich saß lange im Dunkeln und lauschte diesen irdischen, im geschlossenen Raum gefangenen, von frostiger Kälte und fröstelnder unbekannter Stille umgebenen Tönen.
12
In den folgenden drei Tagen beschränkte der gelbliche Nebel die Aussicht auf einen Umkreis von einigen Dutzend Metern. Das schwache, schattenlose Licht nahm nur in den Mittagsstunden, wenn die Sonne höher stand, einigermaßen zu und verlieh der ganzen Basis das Aussehen einer Kulisse im Filmatelier. Alles sah unwirklich aus. Die Männer, die an der Freilegung der Befestigungsarme arbeiteten, um den Wohnungsmodul bis auf den Boden zu senken, sahen wie Gespenster aus. Das düstere Licht vergrößerte die Ausmaße der Raumanzüge, und die ganze Szenerie erinnerte an einen phantastischen Film.
Wegen der schlechten physischen Verfassung der Besatzung ging die Arbeit am Bau der Basis nur sehr langsam vor sich.
Die Arbeitszeit mußte dauernd verkürzt und der Schichtwechsel beschleunigt werden. Kopfschmerzen und Schwindelanfälle gehörten schon zu den normalen Erscheinungen. Williams fiel, obwohl er angeseilt war, vom Hauptträger. Das lockere Seil riß ihn zu einer Seitentraverse, gegen die er mit dem Rücken aufschlug. Er blieb dort hängen. Nach einer Weile hörten wir in den Kopfhörern seine Hilferufe. Durch den Aufprall auf die Rückseite des Raumanzugs war das Sauerstoffgerät beschädigt worden. Er begann nach Atem zu ringen. Ehe wir ihn in die Kabine schaffen konnten, war er bewußtlos. Watts stellte fest, daß ihm außer einer Ellbogenverletzung nichts weiter zugestoßen war. Für die Arbeit im Raumanzug war er allerdings für einige Tage unfähig. Nach drei Tagen konnte der Modul so weit herabgelassen werden, daß er vom Marsboden aus bequem zugänglich war. Die schwere physische Anstrengung hatte die letzten Kraftreserven der Männer erschöpft. Plötzlich verschlechterte sich zudem aus unerklärlichen Gründen die Verbindung zur Erdzentrale. So wenigstens behauptete Jenkins. In Wirklichkeit war die Verbindung unterbrochen worden. Das alles trug zu einem schlechten Gesamtzustand der Expedition bei. Der widrige gelbe Nebel schien auch in unsere Gehirne einzudringen. Der einzige Mensch, dem diese Abscheulichkeiten nicht schon beim bloßen Anblick den Magen umdrehten, war der Meteorologe Morphy. Er erklärte, daß der Staubnebel eine interessante Erscheinung sei, welche die extremen Temperaturschwankungen des Mars verhinderte. Die höchste Tagestemperatur in den letzten drei Tagen bewegte sich zwischen drei und fünf Grad, obwohl wesentlich höhere Temperaturen zu erwarten gewesen wären. Und umgekehrt waren in der
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