Die Erde ist nah
Aufzeichnungen stellt Morphy einen Anstieg der Nachttemperatur um neun Grad fest, und zum erstenmal ist seit Arbeitsbeginn der meteorologischen Station am Schreibband des Anemometers eine Bewegung der drehbaren Windschalen verzeichnet. Früh herrscht in der Atmosphäre wieder absolute Stille.Am Vormittag beendet eine Gruppe von sechs Männern die Montage des Radioteleskops. Weitere acht Mann arbeiten am Dach der Kraftanlage. Einige Minuten vor elf Uhr wird es plötzlich finster. Durch den Sehschlitz sehe ich, daß das Gelände der Basis in einem trüben Strom verschwindet, wie im gespenstischen Ansturm eines über die Ufer getretenen Flusses. Gleichzeitig höre ich ein Rauschen, das an einen entfernten Wasserfall erinnert. Nach wenigen Minuten spüre ich eine Erschütterung des Fußbodens. Das entfernte Rauschen verwandelt sich in das ohrenbetäubende Gebrüll eines Sturms, der Unmengen Staub gegen die Metallwände der kosmischen Raumschiffe schleudert. Der Boden unter meinen Füßen zittert wie bei einem entfernten Erdbeben. Aus dem Lautsprecher dringt irgendeine Stimme, doch vor Lärm verstehe ich die Worte nicht. Ich begreife, daß es sich um nichts anderes als um Alarm handeln kann. Vierzehn unserer Männer, die von einem plötzlichen Windsturm überfallen worden sind, befinden sich in Lebensgefahr. Ich eile in die Umkleidekabine. Dort sind schon Morphy und Compton. Die Prozedur mit dem Anziehen des Raumanzuges erschien mit immer langwierig, doch diesmal komme ich mir vor wie im Traum, wenn man sich anzieht und immer noch fehlt etwas. Inzwischen entnehmen wir aus der Meldung der Zentrale, daß die Radioverbindung mit den acht Mann, die an der Überdachung der Kraftanlage gearbeitet haben, nicht unterbrochen ist, daß alle in Ordnung und an der windgeschützten Seite geborgen sind. Doch die weiteren sechs Mann melden sich nicht. Das Heulen des Windes hört plötzlich auf. Die Stille wirkt unnatürlich und bedrückend.Nach dem Druckausgleich in der Austrittskabine schieben wir die Panzertür beiseite, deren Mechanismus irgendwie schwer geht; ein Strom von feinem Sandstaub fegt über die Füße. Draußen herrscht ausgesprochenes Kellerdunkel; man sieht nicht weiter als zwei Meter. Compton kehrt zurück, um das Sicherungsseil zu holen. Erst nachdem wir das Ende am Geländer der Austrittsfläche befestigt haben, können wir uns in die Richtung begeben, in der wir das Kraftwerk vermuten. In den Kopfhörern fangen wir die Meldung McKinleys aus der Zentrale auf, daß sich die ganze Gruppe aus der Staubdüne herausgescharrt hat. Wir schalten uns in das Gespräch ein und fordern die Gruppe auf, sich nicht vom Kraftwerk zu entfernen. Der Ansturm des Windes ist so unerwartet, daß niemand wissen kann, was die kommenden Sekunden bringen werden. Inzwischen rufen wir ununterbrochen die zweite Gruppe. Die aber meldet sich nicht. Wir waten mühsam durch eine Schicht ungewöhnlich feinen Sandes, sinken bis zu den Knien ein. Nach einer Weile gelangen wir zu einer Metallwand. Nach ihrer Rundung zu schließen, ist es nicht das Kraftwerk, sondern die Wand eines Lastschiffes. Es könnte das zweite Schiff sein; demnach muß sich das Kraftwerk rechts befinden. Nach einigen Minuten kommen wir auch wirklich dahin. In dem Grau, das alle Ausmaße sonderbar verzerrt, tauchen mehrere Silhouetten von Männern in Raumanzügen auf. Wir melden den Vorfall der Zentrale, und nach Beratung mit dem Kapitän kehren wir alle dem Orientierungsseil entlang zur Überdruckkammer zurück.
Die Sicht hat sich nicht im geringsten gebessert. Jede Sekunde ist kostbar. Mit weiteren drei Seilen begeben wir uns zu der Stelle, wo die Gruppe an der Montage des Radioteleskopes gearbeitet hat. Wir suchen in weitem Umkreis das Gelände ab, waten stellenweise bis zu den Hüften durch unglaublich feinen Sand, finden aber keine Spur von unseren Kameraden. Auch in den Kopfhörern ist nur das von den Aggregaten des elektrischen Kraftwerks verursachte Geräusch zu hören. Uns bedrückt der Gedanke, daß ein plötzlicher Windstoß unsere Gefährten zu Boden gerissen, fongefegt und mit Unmengen von Staub verschüttet hat. Wir durchsuchen systematisch die ganze Basis, untereinander verbunden durch Seile und Radiowellen - wir sind sehr besorgt.
McKinley meldet, daß die Schiebetür des dritten Schiffes, in dem einer der kleinen Schlepper steht, geöffnet ist. Ein Gefühl der Erleichterung überflutet uns. Unsere Gefährten könnten sich in die Lagerräume des Lastschiffes
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