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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludek Pesek
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gerettet haben. Doch nach einer Weile meldet sich McKinley von neuem und sagt, daß er außer einer riesigen Staubwehe, von der die Eidechse und die Fässer mit Treibstoff bedeckt sind; nichts gefunden hat.
    Wir kommen zum vierten Lastschiff. Im trüben Dunkel bemerken wir, daß die Schiebetür bis zu drei Vierteln ihrer Höhe von Staub verschüttet ist. Der Gedanke, daß irgendwo unter unseren Füßen unsere Gefährten gefangen sein könnten, drängt sich uns plötzlich unwiderstehlich auf und ruft ein schreckliches Gefühl der Ohnmacht hervor. In den Kopfhörern vernehmen wir McKinleys erregtes Rufen. Als wir zu ihm kommen, zeigt er auf eine Stelle, wo die Staubdüne aufhört und die Wand der Schiebetür beginnt. Dort, wo die oberste Schicht des Staubs die Metallplatte berührt, beobachten wir regelmäßige Erschütterungen. McKinley legt den Panzerhandschuh an die Wand. Das Metall erbebt regelmäßig durch Schläge aus dem Inneren des Lastschiffes. Augenblicklich schwindet unsere Depression. McKinley stößt dreimal mit dem Fuß gegen die Tür. Von innen kommt die gleiche Antwort. Jetzt verstehen wir auch, warum sich die Gruppe nicht meldet. Eingeschlossen im isolierten Stahlrumpf des Schiffes, ist sie radiomäßig stumm und taub. Während Waux und Briggs Schaufeln holen, scharren wir ungeduldig mit den Händen die große Staubwehe fort. Ein Zweifel taucht auf: sind alle in dem Schlupfwinkel?
    Nach zwei Stunden anstrengender Arbeit ist die Staubdüne so weit fongeschafft, daß wir die Tür beiseite schieben können. Aus der Öffnung kommen sechs Männer hervor.
    Die ungewöhnliche atmosphärische Erscheinung in Form dieses kurzen, heftigen Sturms war für uns eine ernste Warnung. Der arme Morphy mußte viele, den Wen seiner meteorologischen Wissenschaft betreffende Anspielungen über sich ergehen lassen. Man warf ihm vor - allerdings im Scherz -, daß er für die Expedition weniger Wen habe als ein Wachhund, der bei drohender Gefahr wenigstens belle, worauf Morphy antwortete, daß er dann dauernd bellen müsse. Darin lag viel Galgenhumor.
    Bis zum Abend wurde es draußen nicht mehr hell. Sogar den ganzen kommenden Tag war die Atmosphäre von einem dichten Nebel feinen, fast gewichtlosen Staubs erfüllt. Auf dem ganzen Gebiet der Basis wurden dort, wo wir uns bewegen mußten, Orientierungsseile gespannt. Nach diesem Vorfall, der fast tragisch geendet hätte, konnten wir uns keinerlei Leichtsinn erlauben.
    Als Morphy und Compton bis zu dem Felsvorsprung, auf dem die meteorologische Station stand, ein Orientierungsseil gespannt hatten, kehrten sie mit der Meldung zurück, daß die Station verschwunden sei. Morphy war verzweifelt. Er klagte, daß er im nächsten Umkreis des Felsens nicht eine Spur der Station gefunden habe. Alle drei Seile, mit denen die Stahlkabine an den Felsen festgebunden war, waren samt den Stahlhaken aus dem verwitterten Gestein gerissen worden.
    Als sich am folgenden Tag die Sicht wesentlich besserte, begab sich Morphy von neuem zu dem Platz der meteorologischen Station. Er durchsuchte die Umgebung und fand ein Seil, das aus einer Staubdüne herausragte. Nach ganztägiger Anstrengung scharrte er gemeinsam mit Compton die fast unbeschädigte Kabine siegreich aus dem Staub und zog sie zu dem Felsen zurück. Einige Instrumente waren vernichtet oder stark beschädigt, doch die wertvollen Aufzeichnungen waren erhalten geblieben. Einen Tag später stand die Aurora an ihrem alten Platz, und ihr feuerroter Anstrich leuchtete in die Umgebung wie eine lebende Kaktusblüte in einer unwirtlichen Wüste. Diesmal war sie mit fast meterlangen Klammern an den Felsen befestigt. Morphy brachte seine Meßgeräte unter und war wieder der zufriedenste Mensch auf dem Mars - was in Anbetracht der Zahl seiner Bewohner nicht gar so schwer war.
    Wirkliche Zufriedenheit gab es wenig. Außer dem noch nicht fertigen Orientierungsturm, den der Wind demoliert hatte, war auch das Dach des Kraftwerks beschädigt worden. Ursache der Unzufriedenheit und Unruhe war nicht so sehr der Sturm, sondern der Gesundheitszustand des Kapitäns. Das regelmäßige Fieber gegen Abend untergrub seine physischen Kräfte. Die Augen fielen in ihre Höhlen zurück und glänzten. Die Lymphdrüsen am Hals waren angeschwollen. Ich muß gestehen, daß Watts und ich hilflos waren. Wir ergingen uns in Erwägungen und unsicheren Versuchen. Die Ursache der Krankheit des Kapitäns lag irgendwo hinter dem Horizont unserer Erfahrungen. Am bedrückendsten

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