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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludek Pesek
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Wind zu einem Sturm an. Wir errichten aus den beiden Eidechsen und dem Anhänger ein Notlager, in dem wir fünf dunkle und hoffnungslose Tage verbringen. Immer wieder überzeuge ich mich, ob Williams noch atmet. Wir schaufeln den Staub fort, schlafen abwechselnd und helfen einer dem andern das Leben zu ertragen.
    In der Nacht legt sich ganz unerwartet der Wind, und am Morgen glänzen Sterne am Himmel. Wir rufen die Basis an und bereiten Signalraketen vor. Ich beuge mich über Williams. Wenn ich am Helm rüttle, öffnet er die Augen. Ich fühle, daß er durch mich hindurch, irgendwohin in eine weite Ferne sieht. »Henry«, rufe ich, »alles ist in Ordnung. Gleich kommt die Libelle! Hörst du?«
    Es scheint, daß er mich nicht hört. »Die Libelle!« wiederhole ich. »Die Libelle, hörst du, verstehst du?« Da verzerrt sich sein abgemagertes Gesicht wieder zu jenem schuldbewußten Lächeln, und ich vernehme in den Kopfhörern seine gebrochene, pfeifende Stimme: »Ich verstehe . . . Libelle . . . Libelle über dem Fluß . . .«
    Nach nicht ganz einer Stunde kreist die Libelle über dem Lager und senkt sich langsam auf den Boden. Williams ist tot. Es eilt nicht mehr. Lawrenson will das schwächste Mitglied unserer Expedition in die Basis mitnehmen, doch keiner fühlt sich als Schwächster. So kehrt Lawrenson mit Williams* Leichnam in die Basis zurück.
    Nach drei Tagen erreichen wir bei sonnigem, windstillem Wetter die Basis. Nichts hat sich in den dreiundsechzig Tagen verändert. Und doch ist etwas geschehen. Auf dem Gipfel einer Düne unweit der Basis steht ein Steinhügel. Auf dem größten Stein, ein bißchen schief, hat Morphy die Inschrift eingemeißelt: »Henry Williams - der erste Mensch auf dem Mars.«
     
     
    Der Große Marsch
    21
     
    Nach außen hin hat sich im Basislager nichts verändert. Nur die Staubdünen auf der vom Wind abgewandten Seite sind höher. Und die frischen Farben auf der Metallkonstruktion sind an der Windseite vom Sand völlig abgerieben. Die meteorologische Station Morphys ist grau geworden. Auch der steinerne Grabhügel ist nur eine kleine Abwechslung in dem Meer von Gestein und Staub. Aber wir haben uns verändert. Nicht deshalb, weil unsere Körper ausgetrocknet und verwahrlost, sondern weil unsere gegenseitigen Beziehungen verdorrt sind. Das Leben, das wir uns mit jedem Atemzug, jedem Schluck und mit jedem Bissen erkämpfen, ist einfach zu hart. Wir haben alles vergessen, außer unseren Pflichten, von denen die wichtigste ist, hier noch zweihundertvierzig Tage zu überleben. Von diesem Standpunkt aus schätzen wir alles andere ein.
    Watts, der Williams' Körper seziert hat, um die Todesursache festzustellen, schrieb darüber einen langen und sorgfältigen Bericht. Sein kurzer Inhalt ist: Versagen des erschöpften Herzens, fortschreitende Gangräne, Veränderungen im Blutbild, totales Versagen der Abwehrreaktion. Den Verwundeten hätte auch die Überführung zum Basislager gleich am ersten Tag nicht gerettet. Trotzdem habe ich das Gefühl, daß der Kapitän einen Teil der Schuld an Williams' Tod O'Brien und mir zuschreibt.
    Alles wird hier mit dem kalten Gewicht der Pflichten und Aufgaben gewogen. Wir haben eine Aufgabe, mehr nicht. Ich begreife O'Briens Verlangen, etwas Lebendes zu berühren, etwas Wärmeres als einige kalte Gesteinsmuster, die sich in keiner Weise von den Forschungen der automatischen Sonden unterscheiden. Und nur für sie zahlen wjr einen so hohen Preis. Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, daß wir einer Sache nachjagen, die wir gerade durch Suchen verlieren.
    In den ersten Tagen nach der Rückkehr gab es für uns nur ein Interesse: Schlafen, Trinken, Essen, Ausruhen. Dann aber erwachten unsere Lebensgeister wieder. Allmählich verschwand auch im harten Licht der Wirklichkeit der Schatten von Henrys Tod. Eine Marsexpedition ist kein Traum, sondern ein Kampf auf Leben und Tod.
    Im Klubraum wird unter Beteiligung aller ein neuer Plan durchgesprochen: »Der Große Marsch«. Die Erfahrungen der mißlungenen Expedition werden dabei ausgewertet. Auf der Basis bleiben diesmal nur fünf Mann: der Haupttechniker Glennon, der Astrophysiker Wellgarth, Jenkins bei der Verbindung, ferner der Meteorologe Morphy und der Arzt Watts. Die neue, zwölf köpf ige Expedition soll mit vier Eidechsen und Anhängern auf der gleichen Route zu Sion vorstoßen, das dort festgefahrene Laboratorium als Stützpunkt benutzen, gleichzeitig auch die nicht unbedeutenden, auf dem großen

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