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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Jean auf den Ackerstücken beschäftigt, die Herr Hourdequin in der Nähe von Rognes besaß und auf denen er eine mit Dampf betriebene Dreschmaschine hatte aufstellen lassen; ein Maschinenschlosser aus Châteaudun hatte sie ihm geliehen, der damit zwischen Bonneval und Cloyes herumfuhr. Mit seinem Wagen und seinen beiden Pferden brachte der Knecht die Garben von den umliegenden Mieten heran und schaffte dann das Korn zum Gehöft, während die Maschine, die von morgens bis abends schnaufte und in der Sonne gelben Staub auf stieben ließ, die Gegend mit ungeheurem und unaufhörlichem Rattern erfüllte.
    Jean, der ganz krank war, zerbrach sich den Kopf, wie er wohl Françoise wieder kriegen könnte. Es war bereits einen Monat her, seit er sie gerade hier in diesem Getreide gehabt hatte, das heute gedroschen wurde; und angstvoll entschlüpfte sie ihm immer wieder. Er gab die Hoffnung auf, es jemals wieder zu schaffen. Das war eine wachsende Begierde, eine über ihn hereinbrechende Leidenschaft. Während er seine Pferde führte, fragte er sich, warum er nicht rundweg zu Geierkopfs ginge und um ihre Hand anhalte. Noch hatte er sich nicht mit ihnen offen und endgültig entzweit. Er rief ihnen stets im Vorbeigehen guten Tag zu.
    Und seit dieser Gedanke an die Heirat ihm als einzige Möglichkeit gekommen war, das Mädchen wieder zu kriegen, redete er sich ein, das sei seine Pflicht, er wäre unredlich, wenn er sie nicht heirate.
    Doch als er am nächsten Morgen zur Dreschmaschine zurückkam, erfaßte ihn Angst. Niemals würde er den Schritt gewagt haben, wenn er nicht gesehen hätte, wie Geierkopf und Françoise gemeinsam auf die Felder hinauszogen. Er überlegte, daß Lise ihm stets gewogen war und daß er sich bei ihr weniger gehemmt fühlen würde; und er entwischte für eine Weile, nachdem er seine Pferde einem Kumpel anvertraut hatte.
    »Ach, Ihr seid's, Jean!« rief Lise, die frisch und munter von ihrem Wochenbett aufgestanden war. »Ihr laßt Euch ja gar nicht mehr blicken. Was gibt's denn?«
    Er entschuldigte sich. Dann schnitt er schleunigst mit der Unverblümtheit schüchterner Leute die Sache an; und sie hätte zuerst beinahe geglaubt, er mache ihr eine Liebeserklärung, denn er erinnerte sie daran, daß er sie geliebt hatte, daß er sie gern zur Frau genommen hätte. Aber sofort fügte er hinzu:
    »Also darum möchte ich immerhin Françoise heiraten, wenn man sie mir geben mag.«
    Sie schaute ihn so überrascht an, daß er zu stammeln anfing: »Oh, ich weiß, daß man das nicht so macht ... Ich wollte bloß mit Euch darüber reden.«
    »Freilich«, antwortete sie endlich, »das überrascht mich, weil ich wegen Eures Alters kaum darauf gefaßt war ... Vor allen Dingen müßte man wissen, wie Françoise darüber denkt.«
    Er war mit dem ausdrücklichen Vorsatz gekommen, alles zu sagen, in der Hoffnung, die Heirat würde dann unumgänglich sein. Doch im letzten Augenblick veranlaßten ihn einige Bedenken, innezuhalten. Wenn sich Françoise ihrer Schwester nicht anvertraut hatte, wenn niemand irgend etwas wußte, hatte er dann das Recht, als erster davon zu reden? Das entmutigte ihn, er schämte sich wegen seiner dreiunddreißig Jahre.
    »Klar«, murmelte er, »man muß mit ihr darüber sprechen, man wird sie nicht zwingen.«
    Nachdem sich Lises Erstaunen gelegt hatte, sah sie ihn mit ihrer heiteren Miene an; und offensichtlich mißfiel ihr die Sache nicht. Sie wurde geradezu entgegenkommend.
    »Es wird geschehen, wie Françoise will, Jean ... Ich bin nicht derselben Ansicht wie Geierkopf, der sie für zu jung hält, sie wird achtzehn Jahre, sie ist so gebaut, daß sie zwei Männer statt einen nehmen könnte ... Und dann, man mag sich unter Schwestern noch so liebhaben, nun, wo sie eine erwachsene Frau ist, möchte ich an ihrer Stelle lieber eine Magd haben, der ich befehlen kann, nicht wahr? – Wenn sie ja sagt, so heiratet sie. Ihr seid ein guter Kerl; die ältesten Hähne sind oft die besten.«
    Das war ein Schrei, der ihr entfuhr, diese langsame, unaufhaltsam größer gewordene Entzweiung zwischen ihr und ihrer jüngeren Schwester, diese durch die tagtäglichen kleinen Kränkungen schlimmer gewordene Feindseligkeit, ein dumpf schwelender Gärstoff aus Eifersucht und Haß, seit ein Mann da war mit seinen Launen und seinen Mannesbegierden.
    Glücklich drückte ihr Jean einen schallenden Kuß auf jede Wange, als sie hinzugefügt hatte:
    »Wir haben heut gerade Kindtaufe, und die Verwandtschaft wird heute abend zum

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