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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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davon abgetreten haben, nicht einmal soviel! Ihr Groll gegen die Schwester wurde zur Verachtung, sie schwor sich, eher dabei draufzugehen als einzuwilligen, jetzt erst recht nicht!
    Aber von diesem Tage an wurde das Leben noch schlimmer. Françoise war der Sündenbock, das Tier, auf das man losschlug. Sie wurde zu einer Magd herabgedemütigt, wurde erdrückt von schweren Arbeiten, wurde unausgesetzt gescholten, herumgeschubst, grün und blau geschlagen. Lise duldete bei ihr nicht die geringste Bummelei, sie ließ sie vor Tagesanbruch aus dem Bett springen und zwang sie, bis so tief in die Nacht hinein aufzubleiben, daß die Unglückliche mitunter einschlief, ohne die Kraft zu haben, sich auszuziehen. Heimtückisch marterte Geierkopf sie mit kleinen Vertraulichkeiten, mit Klapsen aufs Kreuz, mit Kniffen in die Schenkel, mit allen möglichen grimmigen Liebkosungen, nach denen sie blutüberströmt war, ihr die Augen voller Tränen standen und sie sich noch mehr versteifte in ihrem schweigenden Trotz. Er grinste, fand etwas Befriedigung dabei, wenn er sah, wie sie schwach wurde und den Aufschrei ihres verwundeten Fleisches unterdrückte. Ihr Leib war dadurch mit blauen Flecken bedeckt, war zebraartig gestreift mit Schrammen und Quetschungen. Besonders in Gegenwart ihrer Schwester brachte sie all ihren Mut auf, nicht einmal zu zucken, um die Tatsache abzuleugnen, daß diese Männerfinger ihr die Haut durchwühlten. Allerdings war sie nicht immer Herr über das Aufbegehren ihrer Muskeln, sie antwortete weit ausholend mit einer Ohrfeige; und da kam es zu Schlägereien, Geierkopf versohlte sie, während Lise unter dem Vorwand, sie auseinanderzubringen, mit wuchtigen Holzschuhhieben auf beide eindrosch. Die kleine Laure und ihr Bruder Jules heulten. Alle Hunde in der Umgegend bellten; den Nachbarn tat das leid. Ach, das arme Kind, die hatte Ausdauer, daß sie in diesem Zuchthaus blieb.
    Tatsächlich wunderte sich ganz Rognes darüber. Warum rückte Françoise nicht aus? Die Schlauköpfe schüttelten den Kopf: sie war nicht volljährig, sie mußte noch achtzehn Monate warten; und ausrücken, sich ins Unrecht setzen, ohne ihren Besitz mitnehmen zu können! Freilich hatte sie allen Grund, sich das zweimal zu überlegen. Wenn Vater Fouan, ihr Vormund, sie wenigstens noch unterstützt hätte! Aber der war selber ziemlich übel dran bei seinem Sohn. Die Angst vor Scherereien veranlaßte ihn, sich ruhig zu verhalten. Übrigens verbot ihm die Kleine mit dem wilden Mut und Stolz eines Mädchens, das sich nur auf sich selber verläßt, sich mit ihren Angelegenheiten zu befassen.
    Hinfort endeten alle Streitereien mit denselben Beschimpfungen:
    »Scher dich doch fort! Scher dich fort!«
    »Ja, das hofft ihr ... Früher war ich zu dumm, da wollte ich weggehen ... Jetzt könnt ihr mich umbringen, ich bleibe. Ich warte auf mein Erbteil, ich will die Erde und das Haus, und ich werde beides kriegen, jawohl, ich werde alles kriegen!«
    Geierkopf fürchtete während der ersten Monate, daß Françoise durch Jeans Beackerung schwanger geworden war. Seit er die beiden in der Getreidemiete überrascht hatte, überrechnete er die Tage, beobachtete er sie mit scheelem Blick, machte sich Sorgen um ihren Bauch, denn das Kommen eines Kindes hätte alles verdorben, weil dadurch die Heirat notwendig geworden wäre. Sie war seelenruhig, wußte, daß sie nicht schwanger sein konnte. Aber als sie bemerkt hatte, daß er sich für ihre Figur interessierte, fand sie ihren Spaß daran, sie streckte absichtlich den Bauch vor, damit er glaube, der Bauch schwelle an. Nun spürte sie, daß er sie dort betastete, ihr mit seinen groben Fingern Maß nahm, sobald er sie zu packen kriegte; und schließlich sagte sie zu ihm mit herausfordernder Miene:
    »Laß sein! Da ist eins drin! Es wächst!«
    Eines Morgens faltete sie sogar Wischlappen zusammen, die sie sich um den Leib band. Am Abend hätten sich beinahe alle gegenseitig totgeschlagen. Und Entsetzen ergriff sie bei den Mörderblicken, die er ihr zuwarf; hätte sie wirklich ein Kleines unter der Haut gehabt, würde der Rohling ihr todsicher irgendeinen schlimmen Hieb versetzt haben, um es umzubringen. Sie hörte mit den Spaßen auf und zog den Bauch ein. Sie überraschte ihn übrigens, wie er in ihrer Kammer die Nase in ihre dreckige Wäsche steckte, um sich der Dinge zu vergewissern.
    »Mache doch eins«, sagte er spöttisch zu ihr.
    Und ganz blaß antwortete sie wütend:
    »Ich mach keine, weil ich nicht

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