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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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zu sehen und wagte nichts ohne seine Billigung. Er faßte sie überhaupt nicht mehr an, behandelte sie wie einen Kameraden, mit dem man gemeinsame Interessen hat.
    Wenn Françoise jetzt losrannte, um Jean hinter einer Mauer zu treffen, kam es stets zu demselben Gespräch. Sie hakte ungestüm ihr Mieder auf, hob ihren Rock hoch.
    »Da hat mich dieses Schwein wieder gezwickt!«
    Er überzeugte sich davon, blieb kühl und entschlossen.
    »Das wird heimgezahlt! Mußt das den Nachbarinnen zeigen ... Vor allem räche dich nicht. Die Gerechtigkeit ist auf unserer Seite, sobald wir das Recht haben.«
    »Und meine Schwester würde noch die Kerze halten, du weißt ja! Hat sie sich nicht gestern, als er sich auf mich stürzte, aus dem Staube gemacht, statt ihm von hinten einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf zu gießen!«
    »Für deine Schwester wird es mit diesem Kerl ein böses Ende nehmen ... Alles das ist gut. Wenn du nicht willst, kann er nicht, das steht fest; und was schert uns schon das übrige? – Halten wir zusammen, dann ist er erledigt.«
    Obwohl Vater Fouan gern vermieden hätte, sich einzumischen, wurde er in alle Streitereien hineingezogen. Wenn er schwieg, zwang man ihn, Partei zu ergreifen; wenn er fortging, geriet er bei seiner Rückkehr wieder in einen Hausstand, in dem alles drunter und drüber ging und in dem seine Gegenwart oft genügte, die Wutausbrüche von neuem anzufachen. Bisher hatte er nicht wirklich, nicht körperlich gelitten, jetzt begannen die Entbehrungen, das Brot wurde zugeteilt, die Annehmlichkeiten wurden abgeschafft. Man stopfte ihn nicht mehr mit Nahrung voll wie in den ersten Tagen, jede zu dick abgeschnittene Stulle trug ihm harte Bemerkungen ein: Was für ein Loch im Magen! Je weniger man arbeitet, um so mehr frißt man! Jedes Vierteljahr wurde ihm aufgelauert, wurde er ausgeraubt, wenn er aus Cloyes zurückkam, wo ihm Herr Baillehache die Zinsen der dreitausend Francs vom Hausverkauf ausgezahlt hatte. Mit Françoise kam es so weit, daß sie ihrer Schwester Kleingeld stahl, um ihm Tabak zu kaufen, denn man ließ auch sie ohne Geld. Schließlich behagte es dem Alten in der feuchten Kammer, in der er schlief, sehr schlecht, seit er eine Scheibe der Luke zerschlagen, die man dann mit Stroh verstopft hatte, um kein Geld für das Einsetzen einer Scheibe auszugeben. Ach, diese Schurken von Kindern! Alle gleich! Er schimpfte von früh bis spät. Er bedauerte schrecklich, daß er von Delhommes weggezogen war; er war verzweifelt, vom Regen in die Traufe gekommen zu sein. Aber dieses Bedauern verbarg er, er gab es nur durch unwillkürliche Bemerkungen zu erkennen, denn er wußte, daß Fanny gesagt hatte: »Papa wird kommen und uns auf Knien bitten, ihn wieder aufzunehmen!« Und damit war alles zwischen ihnen aus, das blieb ihm für immer wie ein hartnäckiges Stechen im Herzen. Aber eher wäre er vor Hunger und Zorn bei Geierkopfs gestorben, als daß er zurückgegangen und bei Delhommes zu Kreuze gekrochen wäre.
    Eines Tages kam Fouan zu Fuß aus Cloyes zurück, nachdem er sich beim Notar seine Zinsen hatte auszahlen lassen, und als er sich gerade unten in einen Graben gesetzt hatte, erblickte ihn Jesus Christus, der da herumbummelte und die Kaninchenlöcher in Augenschein nahm. Dieser sah, daß sein Vater sehr vertieft und eingehend damit beschäftigt war, Hundertsousstücke in sein Taschentuch zu zählen. Er duckte sich sofort, kroch und langte lautlos oberhalb seines Vaters an; und dort langliegend, sah er zu seiner Überraschung, wie der Alte eine große Summe, vielleicht gut achtzig Francs, sorgfältig in sein Tuch knüpfte: seine Augen flammten, ein lautloses Lachen entblößte seine Wolfszähne. Sofort war ihm der frühere Gedanke an den geheimen Schatz gekommen. Offensichtlich besaß der Vater versteckte Wertpapiere, deren Coupons er alle Vierteljahre einlöste, wozu er seinen Besuch bei Herrn Baillehache ausnutzte. Jesus Christus' erster Gedanke war, loszuplärren und ihm zwanzig Francs zu entreißen. Dann erschien ihm das zu kleinlich; ein anderer Plan griff Raum in seinem Kopf; ebenso leise, wie er näher gekommen war, stahl er sich mit dem geschmeidigen Gleiten einer Natter beiseite, so daß Fouan, der wieder auf die Landstraße hochgeklettert war, keinen Verdacht schöpfte, als er ihm hundert Schritt weiter begegnete, wie er da mit dem unbekümmerten Gang eines lustigen Bruders daherkam und ebenfalls nach Rognes heimkehrte. Sie gingen das letzte Stück des Weges zusammen, sie

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