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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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scheren wird!«
    Ein verschwommenes Lächeln war auf Delhommes wie Leder gegerbtem Gesicht erschienen. Die ganze auf dem Grunde dieses aufrechten und beschränkten Verstandes schlummernde Schläue war in ein paar langsamen Sätzen zum Vorschein gekommen:
    »Er sagt, was er eben sagt, man hält davon, was man eben davon hält ... Er oder ein anderer, mein Gott! – Man hat nur einen Gedanken, sehen Sie, nämlich den, daß die Regierung standfest sein muß, damit sie Handel und Wandel in Gang bringt; und dann, nicht wahr, damit man sich nichts vormacht, es ist doch das beste, der Regierung den Abgeordneten zu schicken, den sie verlangt ... Uns genügt es, daß dieser Herr aus Châteaudun der Freund des Kaisers sein soll.«
    Bei diesem letzten Hieb war Hourdequin wie benommen. Aber der Freund des Kaisers, das war doch einst Herr de Chédeville! Ach, Sklavengezücht, das immer zu dem Herrn hält, der es durchpeitscht und es ernährt, heute noch in ererbter Unterwürfigkeit und Selbstsucht nichts sieht, nichts sucht, was über das tägliche Brot hinausgeht!
    »Na schön, Himmeldonnerwetter, ich schwöre euch, an dem Tage, da dieser Rochefontaine gewählt wird, schmeiße ich den Laden hin und trete zurück! Hält man mich denn für einen Hampelmann, der bald weiß und bald schwarz sagt? – Wenn diese Räuber, die Republikaner, in den Tuilerien säßen, würdet ihr auf deren Seite stehen, da gebe ich mein Wort drauf!«
    Macquerons Augen hatten aufgeflammt. Endlich war's soweit, der Bürgermeister hatte soeben seinen Sturz unterzeichnet; denn die Verpflichtung, die er einging, würde bei seiner Unbeliebtheit genügen, daß der Ort gegen Herrn de Chédeville stimmte. Aber in diesem Augenblick riß Jesus Christus, den man mit seinem Freund Kanone in seiner Ecke vergessen hatte, so laut Witze, daß sich alle Augen ihm zuwandten. Die Ellbogen auf die Tischkante, das Kinn in die Hände gestützt, wiederholte er, die anwesenden Bauern ansehend, mit verächtlichem Grinsen immer wieder ganz laut:
    »Lauter Memmen! Lauter Memmen!«
    Und gerade bei diesem Wort kam Geierkopf herein. Sein flinker Blick, der gleich von der Tür aus Françoise im Kramladen entdeckt hatte, erkannte Jean sofort, der an der Wand saß, zuhörte und auf seinen Herrn wartete. Gut! Die Hure und der Galan waren da, man würde gleich sehen!
    »Sieh mal einer an! Da ist ja mein Bruder, die größte Memme von allen!« brüllte Jesus Christus.
    Drohendes Grollen erhob sich, man wollte schon den Kerl mit dem losen Maul rausschmeißen, da mischte sich Leroi, genannt Kanone, mit der kratzigen Stimme eines Vorstadtbewohners ein, der sich auf allen sozialistischen Versammlungen von Paris herumgestritten hatte.
    »Halt dein Maul, mein Kleiner! Sie sind nicht so dumm, wie sie aussehen ... Hört mal zu, ihr da, ihr Bauern, was würdet ihr sagen, wenn man dort drüben an der Tür der Bürgermeisterei ein Plakat anklebte, auf dem in großen Buchstaben gedruckt steht: ›Revolutionäre Commune von Paris: primo, alle Steuern sind abgeschafft; secundo, der Militärdienst ist abgeschafft ...‹ He? Was würdet ihr sagen, ihr Lehmärsche?«
    Die Wirkung war so ungewöhnlich, daß Delhomme, Fouan, Clou und Bécu mit offenem Munde und aufgerissenen Augen dastanden. Lequeu ließ dabei von seiner Zeitung ab; Hourdequin, der im Begriff war, fortzugehen, kam wieder herein; Geierkopf vergaß Françoise und setzte sich auf eine Tischecke. Und sie schauten alle diesen zerlumpten Kerl an, diesen Rumtreiber auf den Landstraßen, den Schrecken der Fluren, der vom Plündern und von erpreßten Almosen lebte. Vorige Woche hatte man ihn auf La Borderie davongejagt, wo er wie ein Gespenst aufgetaucht war, als der Tag zur Neige ging. Deshalb schlief er jetzt bei diesem Strolch, dem Jesus Christus, von wo er am nächsten Tage vielleicht wieder verschwand.
    »Ich sehe, daß euch so was immerhin an der richtigen Stelle kratzt«, fuhr Kanone mit lustiger Miene fort.
    »Himmelsakrament, ja!« bekannte Geierkopf. »Wenn man bedenkt, daß ich erst gestern Geld zum Steuereinnehmer gebracht habe! Das nimmt nie ein Ende, das frißt uns die Haut vom Leibe!«
    »Und nicht mehr sehen müssen, wie unsere Jungen fortziehen, ach, du liebes Leiden!« rief Delhomme. »Ich, der ich bezahle, damit Nénesse verschont bleibt, ich weiß, was mich das kostet.«
    »Ganz abgesehen davon«, fügte Fouan hinzu, »daß man sie euch wegnimmt und sie euch umbringt, falls ihr nicht bezahlen könnt.«
    Kanone nickte, triumphierte

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