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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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hervor, »alle vor diesen schönen Geschichten verreckt seid ... Verreckt vor Hunger oder verreckt durch die Flintenschüsse der Gendarmen, falls der Hunger euch bösartig macht ...«
    Man sah ihn an, man begriff ihn nicht.
    »Wenn das Getreide weiterhin aus Amerika kommt, wird es in fünfzig Jahren bestimmt keinen einzigen Bauern mehr in Frankreich geben ... Wird es unsere Erde gegen die Erde da drüben aufnehmen können? Kaum beginnen wir auf ihr die ersten Versuche einer richtigen Bewirtschaftung, da werden wir auch schon mit Korn überschwemmt ... Ich habe ein Buch gelesen, das lang und breit erklärt, daß ihr dabei flötengehen werdet.« Aber bei seinem Aufbrausen ward ihm plötzlich bewußt, daß sich alle Gesichter verstört zu ihm umwandten. Und er beendete nicht einmal seinen Satz, er schloß mit einer wütenden Gebärde, dann tat er so, als versenke er sich wieder in die Lektüre seiner Zeitung.
    »Schon wegen des Getreides aus Amerika«, erklärte Kanone, »werdet Ihr tatsächlich flötengehen, wenn sich das Volk nicht der großen Ländereien bemächtigt.«
    »Und ich«, sagte Hourdequin abschließend, »ich wiederhole euch, es muß nicht sein, daß dieses Getreide hereinkommt ... Nach alledem stimmt für Herrn Rochefontaine, wenn ihr genug von mir habt in der Bürgermeisterei und wenn ihr das Getreide für fünfzehn Francs verkaufen wollt.«
    Er stieg in seinen Einspänner, Jean folgte ihm. Als Jean dann auf das Pferd einpeitschte, nachdem er einen Blick des Einverständnisses mit Françoise getauscht hatte, sagte er zu seinem Herrn, der ihm mit einem Kopfnicken zustimmte:
    »Man darf nicht zuviel an dieses Zeugs denken, man würde verrückt dabei werden.«
    In der Schenke redete Macqueron lebhaft und leise auf Delhomme ein, während Kanone, der wieder seine Miene aufgesetzt hatte, als schere er sich einen Dreck um die Leute, den Kognak austrank und sich dabei über den entgeisterten Jesus Christus lustig machte, den er »Mademoiselle Siebzehnhundertdreiundneunzig« nannte. Aber Geierkopf, der aus einer Grübelei erwachte, wurde jäh gewahr, daß Jean fortgegangen war, und er war überrascht, Françoise dort an der Tür der Gaststube wiederzufinden, an der sie sich zusammen mit Berthe aufgepflanzt hatte, um zuzuhören. Es ärgerte ihn, daß er seine Zeit mit Politik vertan hatte, da er doch ernste Angelegenheiten erledigen wollte. Diese dreckige Politik, die kriegt einen trotzdem zu packen. Er hatte in einer Ecke eine lange Aussprache mit Cœlina, die es schließlich verhinderte, daß er sofort einen Skandal machte; es war besser, daß Françoise von selber zu ihm zurückkehrte, wenn man sie beruhigt hatte; und er ging nun auch und drohte, er werde sie mit einem Strick und einem Stock holen kommen, wenn man sie nicht umstimmte.
    Am folgenden Sonntag wurde Herr Rochefontaine zum Abgeordneten gewählt, und da Hourdequin dem Präfekten seinen Rücktritt eingereicht hatte, wurde Macqueron schließlich Bürgermeister, und der platzte schier aus der Haut vor unverschämtem Triumph.
    An diesem Abend überraschte man Lengaigne, wie er wütend vor der Tür seines siegreichen Rivalen die Hose runterließ. Und er brüllte:
    »Ich mache das, wo's mir paßt, jetzt, wo die Schweine an der Regierung sind!«
     

Kapitel VI
    Die Woche verstrich, starrköpfig beharrte Françoise darauf, nicht zu ihrer Schwester zurückzukehren, und es kam zu einem gräßlichen Auftritt auf der Dorfstraße: Geierkopf, der sie an den Haaren zog, mußte sie loslassen, weil sie ihn grausam in den Daumen gebissen hatte, so daß Macqueron Angst bekam und er selber das junge Mädchen vor die Tür setzte, wobei er ihr erklärte, daß er als Vertreter der Obrigkeit sie nicht länger in ihrer Aufsässigkeit unterstützen könne.
    Aber die Große kam gerade vorbei, und sie nahm Françoise mit. Mit ihren achtundachtzig Jahren machte sie sich nur deshalb Gedanken um ihren Tod, weil sie ihren Erben samt ihrem Vermögen die Scherereien endloser Prozesse hinterlassen wollte: ein ungemein verzwicktes, aus purem Vergnügen vertrackt aufgesetztes Testament, darin sie unter dem Vorwand, niemandem Unrecht zuzufügen, sie alle zwang, sich untereinander zu zerfleischen. Da sie ihren Besitz nicht mitnehmen konnte, hatte sie sich in den Kopf gesetzt, wenigstens mit dem Trost hinüberzugehen, daß er die anderen vergiften würde. Und sie hatte keinen größeren Spaß, als zu sehen, wie sich ihre Familie gegenseitig auffraß. Deshalb beeilte sie sich, ihre Nichte

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