Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
energischen Handbewegung lehnte er das ab.
    »Oh, doch, doch, müssen sie zurücklegen ... Er wird sie suchen, er wird ein Geschrei machen, das wird uns schön was einbrocken bei den anderen Schweinen aus der Familie.« Sie unterbrach sich ein drittes Mal, weil es sie tief erschütterte, den Vater weinen zu hören.
    Ein Elend war das, eine ungeheure Verzweiflung, Schluchzen, das aus seinem ganzen Leben zu kommen schien, und ohne daß man erfuhr warum, denn er sagte mit hohler und hohler klingender Stimme lediglich immer wieder:
    »Das ist futsch ... Das ist futsch ... Das ist futsch ...«
    »Und du glaubst«, fing Geierkopf heftig wieder an, »daß ich dem Alten da, bei dem eine Schraube locker ist, seine Papiere lassen werde! – Damit er sie zerreißt oder damit er sie verbrennt! Oh, nein, das wäre ja noch schöner!«
    »Das stimmt schon«, murmelte sie.
    »So, nun langt's, gehen wir schlafen ... Wenn er nach ihnen fragt, werde ich ihm schon antworten, das laß man meine Sorge sein. Und die anderen sollen mir gefälligst von der Pelle bleiben!«
    Sie gingen schlafen, nachdem sie nun ihrerseits die Papiere unter der Marmorplatte einer alten Kommode versteckt hatten, was ihnen sicherer erschien als hinten in einem abgeschlossenen Schubfach.
    Der Vater, den man aus Furcht, daß Feuer ausbrechen könnte, ohne Kerze allein gelassen hatte, redete und schluchzte weiter die ganze Nacht hindurch in seinem Fieberwahn.
    Am nächsten Tage fand Herr Finet, er sei ruhiger, es gehe ihm besser, als er gehofft hatte. Ach ja, diese alten Ackergäule, die haben ein zähes Leben! Das Fieber, das er befürchtet hatte, schien vertrieben zu sein. Er verschrieb Eisen, Chinarinde, Pillen, die es in sich hatten und deren hoher Preis das Ehepaar abermals in Bestürzung versetzte; und als er fortging, mußte er sich der Frimat erwehren, die ihm aufgelauert hatte.
    »Meine liebe Frau, ich habe Euch doch schon gesagt, Euer Mann und dieser Eckstein, das ist ein und dasselbe ... Ich kann die Steine nicht zum Krabbeln bringen, zum Teufel noch mal! Ihr wißt, wie er enden wird, nicht wahr, und je schneller, um so besser für ihn und für Euch.«
    Er peitschte auf sein Pferd ein, sie sank tränenüberströmt auf den Eckstein. Freilich, das währte schon lange, zwölf Jahre pflegte sie ihren Mann; und ihre Kräfte schwanden dahin, je älter sie wurde, sie zitterte davor, daß sie bald nicht mehr ihr Fleckchen Erde würde bestellen können; aber wie dem auch sei, das Herz drehte sich ihr im Leibe um bei dem Gedanken, den alten Krüppel zu verlieren, der gleichsam ihr Kind geworden war, den sie trug, dem sie die Wäsche wechselte, den sie mit Leckereien verwöhnte. Der gesunde Arm, den er noch gebrauchen konnte, wurde nun auch so steif, daß sie ihm jetzt die Pfeife in den Mund stecken mußte.
    Nach Verlauf von acht Tagen war Herr Finet erstaunt, als er sah, daß Fouan aufgestanden war; er war zwar noch etwas unsicher, versteifte sich aber darauf, wieder zu gehen, denn, so sagte er, daß er nicht sterbe, liege daran, daß er nicht sterben wolle. Und Geierkopf grinste hinter dem Rücken des Arztes, denn er hatte die Verordnungen gleich von der zweiten ab unterschlagen und erklärt, das sicherste sei, wenn man das Übel sich selber auffressen lasse. Am Markttag war Lise jedoch so schwach gewesen, eine am Vortage verschriebene Arznei mitzubringen; und als der Doktor am Montag zum letzten Mal wiederkam, erzählte ihm Geierkopf, daß der Alte beinahe einen Rückfall bekommen hätte.
    »Ich weiß nicht, was die da in Ihre Flasche reingetan haben, das Zeug hat ihn verdammt krank gemacht.«
    An diesem Abend entschloß sich Fouan zu sprechen. Seit er wieder aufstehen konnte, trat er mit banger Miene im Haus von einem Fuß auf den anderen, sein Kopf war leer, und er erinnerte sich nicht mehr, wo er wohl seihe Papiere versteckt haben mochte. Er schnüffelte, wühlte überall herum, strengte verzweifelt sein Gedächtnis an. Dann kam ihm wieder eine unklare Erinnerung: vielleicht hatte er sie gar nicht versteckt, vielleicht waren sie da auf dem Brett liegengeblieben. Was aber, wenn er sich irrte, wenn niemand sie genommen hatte, würde er da nicht selber erst darauf aufmerksam machen und das Vorhandensein dieses einst mühsam zusammengesparten, dann mit soviel Sorgfalt verheimlichten Geldes eingestehen? Zwei Tage lang noch rang er mit sich, wurde hin und her gerissen zwischen der Wut über dieses jähe Verschwinden und der selbstverschuldeten Zwangslage, daß er

Weitere Kostenlose Bücher