Die Erde
aus dem Aigre; dann ging sie, die Nase rümpfend, davon und sah aus, als bedaure sie, daß das Ganze mit diesem Schlaganfall nicht erledigt war. Von da an ließ sich die Familie nicht mehr stören. Warum irgendwas tun, da es ja fast sicher war, daß er davonkommen würde?
Bis Mitternacht war das Haus in heller Aufregung. Geierkopf war in einer abscheulichen Laune nach Hause gekommen. Es waren Senfpflaster auf die Beine zu legen, Stunde um Stunde eine Arznei zu nehmen, am nächsten Morgen ein Abführmittel zu verabreichen, falls eine Besserung eintrat. Die Frimat half gern; aber um zehn Uhr ging sie schlafen, weil sie vor Müdigkeit umfiel und nur mäßig Anteil nahm. Geierkopf, der es ebenso machen wollte, rempelte Lise an. Was hatten sie hier zu schaffen? Den Alten angaffen, das brachte dem bestimmt keine Erleichterung. Er redete nun irre, sprach ganz laut von Dingen, die kaum Zusammenhang hatten, mußte wohl glauben, er sei auf den Feldern, wo er hart arbeitete wie in den fernen Tagen seiner besten Jahre. Und Lise, der unbehaglich war bei diesen alten Geschichten, die mit leiser Stimme gestammelt wurden, als sei der Vater bereits beerdigt und als spuke er umher, schickte sich an, ihrem Mann nachzugehen, der sich schon auszog, als ihr einfiel, die Kleidungsstücke des Kranken wegzuräumen, die auf einem Stuhl liegengeblieben waren. Sie schüttelte sie sorgfältig aus, nachdem sie lange die Taschen durchwühlt hatte, in denen sie nur ein schadhaftes Messer und etwas Schnur entdeckte. Als sie die Sachen dann hinten in den Wandschrank hängte, erblickte sie, mitten auf einem Brett und ihr geradezu in die Augen springend, ein kleines Bündel Papiere. Ihr krampfte sich das Herz zusammen: der Schatz! Der Schatz, nach dem man seit einem Monat so sehr ausgespäht hatte, den man an den ungewöhnlichsten Stellen gesucht hatte und der ihr dort unverhohlen in die Finger geriet! Der Alte hatte also das Versteck wechseln wollen, als das Übel ihn umgelegt hatte.
»Geierkopf! Geierkopf!« rief sie, die Kehle so zugepreßt, daß er im Hemd angerannt kam, weil er glaubte, sein Vater gebe den Geist auf.
Auch ihm blieb zuerst die Luft weg. Dann riß eine tolle Freude sie beide mit, sie faßten sich an den Händen, sie hüpften voreinander herum wie Ziegen und vergaßen den Kranken, der nun mit geschlossenen Augen und auf dem Kopfkissen festgenageltem Kopf endlos die abgerissenen Fadenenden seines Fieberwahns abhaspelte. Er pflügte.
»He, los, Schindmähre, willst du wohl! – Aufgeweicht ist das nicht, das ist hart wie Kieselstein, Himmelsakrament! – Die Arme brechen einem dabei, man müßt sich andere kaufen ... Hü, hott! Du Luder!«
»Pst!« murmelte Lise, die zusammenzuckte und sich umdrehte.
»Ach was!« antwortete Geierkopf. »Weiß er's denn? Hörst du denn nicht, wie er Blödsinn redet?«
Sie setzten sich ans Bett, die Beine waren ihnen wie zerschlagen, einen so heftigen Stoß hatte ihnen eben ihre Freude versetzt.
»Übrigens«, fuhr sie fort, »man wird uns nicht vorwerfen können, daß wir rumgewühlt haben, denn Gott ist mein Zeuge, daß ich dabei kaum an sein Geld gedacht habe! Es ist mir in die Hand gehüpft ... Wollen mal nachsehen!«
Er, der schon die Papiere auseinanderfaltete, zählte mit lauter Stimme zusammen:
»Zweihundertdreißig, und siebzig, glatte dreihundert ... Das stimmt schon, ich hatte es richtig ausgerechnet, wegen der Vierteljahreszinsen, der fünfzehn Hundertsousstücke neulich beim Steuereinnehmer ... Das ist zu fünf Prozent. Na? Ist das aber schrullig, daß so was, so unansehnliche Papierchen, trotzdem Geldeswert haben, ebenso gediegenen Wert wie richtiges Geld!«
Aber Lise brachte ihn abermals zum Schweigen, weil sie erschrocken war über ein jähes Feixen des Alten, der wohl, bei der großen Ernte war, bei der großen Ernte unter Karl X., die man nicht hatte einfahren können, weil der Platz nicht ausreichte.
»Es ist soviel da. Es ist soviel da! – Das macht Spaß, soviel ist da! – Ach! Du meine Güte! Wenn soviel da ist, ist eben soviel da!« Und sein ersticktes Lachen hörte sich an wie ein Röcheln, seine Freude mußte wohl ganz in der Tiefe sitzen, denn nichts davon kam auf seinem reglosen Gesicht zum Vorschein.
»Das sind harmlose Gedanken, die ihm da durch den Kopf gehen«, sagte Geierkopf achselzuckend.
Schweigen trat ein, beide betrachteten die Papiere und überlegten.
»Was nun?« murmelte schließlich Lise. »Müssen sie zurücklegen, was?«
Aber mit einer
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