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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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durchgehauen hatte wie mit einem Axthieb. Nein, nein! Lieber verhungern, sich lieber hinter einer Hecke schlafen legen als sehen, wie sie triumphierte mit der stolzen Miene einer Frau, der nichts vorzuwerfen war! Er löste seinen Rücken vom Gemäuer und ging davon.
    Um nicht wieder auf die Landstraße einzubiegen, ging Fouan, der glaubte, alle Welt belauere ihn, am rechten Ufer des Aigre hinter der Brücke stromaufwärts und befand sich bald mitten in den Weinbergen. Seine Absicht mußte wohl sein, so unter Umgehung des Dorfes die Ebene zu erreichen. Bloß traf es sich so, daß er nahe am Schloß vorbeigehen mußte, wohin ihn seine Beine anscheinend auch zurückgebracht hatten, in jenem Instinkt alter Lasttiere, die zu den Ställen zurückkehren, wo sie ihren Hafer bekommen haben. Das Steigen benahm ihm die Luft, verschnaufend und überlegend setzte er sich abseits hin. Wenn er zu Jesus Christus gesagt hätte: Ich werde bei Gericht Klage einreichen, hilf mir gegen Geierkopf!, der Kerl hätte ihn sicher mit offenem Arsch empfangen; und man hätte an diesem Abend verdammt flottgemacht. Von dem Winkel aus, in dem er saß, schnupperte er gerade eine Schmauserei, irgendeine Sauferei, die schon seit dem Morgen andauerte. Angelockt kam er näher mit seinem leeren Bauch, er erkannte Kanones Stimme, roch den Duft der schmorenden roten Bohnen, die Bangbüx so gut zuzubereiten verstand, wenn ihr Vater feiern wollte, weil der Kumpel wieder aufgetaucht war. Warum sollte er nicht hineingehen und mit den beiden Taugenichtsen zechen, die er im Rauch der Pfeifen grölen hörte, die es hübsch warm hatten und die so besoffen waren, daß er sie beneidete. Eine jähe Detonation von Jesus Christus ging ihm zu Herzen, er streckte die Hand nach der Tür aus, da lähmte ihn Bangbüxes grelles Lachen. Bangbüx, die jagte ihm nun Entsetzen ein, er sah sie immerzu wieder, wie sie sich, hager, im Hemd, über ihn warf mit ihrer Natternnacktheit, ihn durchwühlte, ihn schier auffraß. Und wozu also? Wenn ihr Vater ihm auch half, seine Papiere zurückzubekommen, so wäre doch die Tochter da, um sie ihm sogar unter der Haut wieder wegzunehmen. Auf einmal ging die Tür auf, das Flittchen warf einen Blick nach draußen, weil sie irgend jemand gewittert hatte. Er hatte gerade noch die Zeit, sich hinter die Büsche zu werfen, er rückte aus, als er in der hereinbrechenden Nacht ihre grünen leuchtenden Augen erkannte.
    Als Fouan in der Ebene war, auf den höher gelegenen Flächen, fühlte er sich irgendwie erleichtert, gerettet vor den anderen, glücklich, allein zu sein und daran zu verrecken. Lange streifte er auf gut Glück umher. Es war Nacht geworden, der eisige Wind geißelte ihn. Mitunter mußte er manchen starken Stößen den Rücken kehren, der Atem blieb ihm weg, auf dem bloßen Kopf standen seine spärlichen weißen Haare zu Berge. Es schlug sechs Uhr, alles aß jetzt in Rognes; und ihm steckte eine Schwäche in den Gliedern, die seinen Gang verlangsamte. Zwischen zwei Windstößen ging hart peitschend ein Regenschauer nieder. Er wurde klitschnaß, ging weiter, bekam noch zwei Regenschauer ab. Und ohne zu wissen, wie er dort hingekommen, fand er sich auf dem Platz vor der Kirche, vor dem uralten Vaterhaus der Fouans, das jetzt Françoise und Jean bewohnten. Nein! Dort konnte er nicht Zuflucht suchen, man hatte ihn auch von da fortgejagt. Der Regen wurde noch stärker, so heftig, daß ihn Feigheit überkam. Er hatte sich Geierkopfs Tür nebenan genähert und spähte in die Küche, aus der ein Geruch nach Kohlsuppe drang. Sein ganzer armer Leib kehrte dahin zurück, um sich zu unterwerfen, ein körperliches Bedürfnis, zu essen, es warm zu haben, trieb ihn hin. Aber beim Geräusch der Kinnladen gewechselte Worte hielten ihn zurück:
    »Und der Vater, wenn der nicht mehr heimkommt?«
    »Laß doch! Der ist viel zu sehr aufs Fressen aus, um nicht heimzukommen, wenn er zuviel Hunger kriegt!«
    Fouan machte sich davon, aus Furcht, man könnte ihn an dieser Tür erblicken wie einen geprügelten Hund, der zu seinem Futternapf zurückkehrt. Es benahm ihm den Atem vor Scham, eine wilde Entschlossenheit erfaßte ihn, in einer Ecke zu sterben. Man würde schon sehen, ob er aufs Fressen aus war! Er ging den Abhang wieder hinunter, er sank vor Clous Hufschmiede auf das Ende eines Balkens nieder. Seine Beine konnten ihn nicht mehr tragen, ihm schwanden die Sinne auf der Straße, die stockfinster und menschenleer war, denn die Leute waren schon zum

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