Die Erde
Feierabend gegangen; bei dem schlechten Wetter waren die Häuser zu, keine Menschenseele schien darin zu leben. Bei den Regengüssen hatte sich nun der Wind gelegt, der Regen fiel schnurgerade, unausgesetzt, mit der Heftigkeit einer Sintflut. Er fühlte nicht die Kraft in sich, wieder aufzustehen und einen Unterschlupf zu suchen. Seinen Stock zwischen den Knien, sein Schädel vom Wasser gewaschen, so verharrte er reglos, stumpfsinnig geworden von soviel Elend. Er dachte nicht einmal mehr nach, das war, eben so: wenn man weder Kinder noch Haus, noch sonst irgend etwas mehr hatte, schnürte man sich den Bauch ein, legte man sich draußen schlafen. Es schlug neun Uhr, dann zehn Uhr. Der Regen rann weiter, zerschmolz seine alten Knochen. Aber Laternen kamen zum Vorschein, huschten rasch dahin: das war das Heimkommen vom Feierabend; und er wurde noch einmal wach, als er die Große erkannte, die von Delhommes zurückkehrte, wo sie den Abend verbracht und so ihre Kerze gespart hatte. Er erhob sich mit einer Anstrengung, bei der seine Glieder krachten, er folgte ihr von weitem, kam nicht schnell genug an, um gleichzeitig mit ihr ins Haus zu gehen. Vor ihrer wieder geschlossenen Tür zögerte er, und das Herz setzte ihm aus. Schließlich klopfte er an, er war zu unglücklich.
Es muß gesagt werden, daß er sehr ungelegen kam, denn die Große war infolge einer ganz unglückseligen Geschichte, die ihr in der vorigen Woche viel Ungelegenheiten bereitet hatte, in einer fürchterlichen Stimmung. Als sie eines Abends mit ihrem Enkelsohn Hilarion allein war, war sie auf den Einfall gekommen, ihn Holz spalten zu lassen, um noch diese Arbeit aus ihm herauszuholen, bevor sie ihn zum Schlafen ins Stroh schickte; und da er die Arbeit schlapp verrichtete, blieb sie hinten im Holzstall und überschüttete ihn mit Beschimpfungen. Bis zu dieser Stunde hatte dieser stumpfsinnige und mißgestaltete viehische Kerl mit den Stiermuskeln, der sich vor Entsetzen duckte, es zugelassen, daß seine Großmutter seine Kräfte mißbrauchte, ohne auch nur zu ihr aufzublicken. Seit einigen Tagen jedoch hätte sie sich vorsehen müssen, denn er bebte unter der zu harten Fron, sein Blut erhitzte sich und ließ seine Glieder steif werden. Sie beging den Fehler, ihn mit dem Ende ihres Stockes aufs Genick zu schlagen, um ihn anzufeuern. Er ließ das Beil los, er sah sie an. Verärgert über dieses Aufbegehren, peitschte sie ihn auf die Lenden, auf die Schenkel, überallhin, da stürzte er sich jäh auf sie. Sie glaubte, er werde sie umreißen, trampeln, erwürgen; aber nein, er hatte seit dem Tode seiner Schwester Palmyre zu sehr gedarbt, sein Zorn schlug um in Manneskoller, wobei er sich weder der Verwandtschaft noch des Alters, kaum des Geschlechts bewußt war. Der viehische Kerl vergewaltigte sie, diese Urahne von neunundachtzig Jahren mit dem stocktrockenen Leib, in dem allein das gespaltene Gerippe des Weibes übriggeblieben war. Und die Alte, die noch rüstig und unüberwindlich war, ließ ihn nicht gewähren, konnte das Beil packen, schlug ihm mit einem Hieb den Schädel auf. Auf sein Schreien liefen die Nachbarn herbei; sie erzählte die Geschichte, führte Einzelheiten an: ein kleines bißchen länger, und sie hätte daran glauben müssen, der Kerl war nahe dran. Hilarion starb erst am nächsten Tage. Der Richter war gekommen; dann hatte die Beerdigung stattgefunden; kurzum, alle möglichen Scherereien, von denen sie sich glücklicherweise erholt hatte; sie war sehr ruhig, aber erbittert über die Undankbarkeit der Welt und fest entschlossen, niemals mehr jemand aus ihrer Familie eine Gefälligkeit zu erweisen.
Fouan mußte dreimal anklopfen, er klopfte so ängstlich, daß die Große nicht hörte.
Endlich kam sie zurück, sie entschloß sich zu fragen:
»Wer ist da?«
»Ich.«
»Wer, ich?«
»Ich, dein Bruder.«
Zweifellos hatte sie die Stimme sofort erkannt, und um das Vergnügen auszukosten, ihn zum Reden zu zwingen, beeilte sie sich nicht. Schweigen war eingetreten, sie fragte abermals:
»Was willst du?«
Er zitterte, er wagte nicht zu antworten.
Da riß sie roh die Tür wieder auf; aber als er hereinkommen wollte, versperrte sie mit ihren hageren Armen den Weg, sie ließ ihn auf der Straße im klatschenden Regen, dessen trauriges Rinnen nicht aufgehört hatte.
»Ich weiß, was du willst. Man hat mir's erzählt beim Feierabend ... Ja, du hast die Dummheit begangen, dich noch mal ausplündern zu lassen, du hast nicht einmal verstanden,
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