Die Erde
nichts in den Händen. Einen Augenblick war Françoise drauf und dran, Reißaus zu nehmen. Dann entrüstete sie sich über diese Angst, es stand ihr doch wohl frei, auf ihr Stück Erde zu gehen; und sie kam immer näher, die Sense auf der Schulter.
Die Wahrheit war, daß Françoise, besonders wenn sie Geierkopf allein traf, darüber bestürzt war. Seit zwei Jahren sprach sie nicht mehr mit ihm. Aber sie konnte ihn nicht sehen, ohne ein Stechen in ihrem Leibe zu spüren. Das mochte vielleicht Zorn sein, vielleicht aber auch etwas anderes. Mehrere Male hatte sie ihn auf diesem selben Wege, wenn sie zu ihrem Luzernefeld ging, so vor sich gesehen. Er wandte zwei, dreimal den Kopf, um sie mit seinen grauen, gelbgesprenkelten Augen zu betrachten. Ein leiser Schauer befiel sie, sie beschleunigte entgegen allen Bemühungen den Schritt, während er seinen Schritt verlangsamte; und sie ging an ihm vorbei, beider Augen durchwühlten einander eine Sekunde lang. Dann empfand sie die Verwirrung, ihn hinter ihrem Rücken zu spüren, sie machte sich steif, wußte nicht mehr, wie sie gehen sollte. Bei ihrer letzten Begegnung war sie so verstört gewesen, daß sie, behindert durch ihren Bauch, der Länge lang hingefallen war, als sie von der Landstraße in ihre Luzerne springen wollte. Er hatte schallend gelacht.
Als Geierkopf Lise am Abend boshafterweise erzählte, was für einen Purzelbaum ihre Schwester geschossen hatte, leuchtete in beider Blick derselbe Gedanke auf: wenn sich die Hure samt ihrem Kind dabei umgebracht hätte, dann kriegte der Ehemann nichts, die Erde und das Haus würden an sie zurückfallen. Sie wußten durch die Große von der Geschichte mit dem Testament, das hinausgeschoben und seit der Schwangerschaft unnütz geworden war. Aber sie hatten eben niemals Glück gehabt, keine Gefahr, daß das Schicksal ihnen die beiden, die Mutter und das Kleine, vom Halse schaffte! Und sie kamen beim Schlafengehen wieder darauf zurück, bloß einfach, um darüber zu reden, denn das bringt ja die Leute nicht um, wenn man von ihrem Tode spricht. Mal angenommen, Françoise wäre ohne Erben gestorben, wie sich da alles geregelt hätte, was für eine plötzliche Anwandlung von Gerechtigkeit vom lieben Gott!
Vergiftet von ihrem Haß, schwor Lise schließlich, ihre Schwester sei nicht mehr ihre Schwester, sie würde ihr selber den Kopf auf dem Richtblock festhalten, falls es nur darauf ankäme, damit sie wieder in ihr Heim zurückkehren könne, aus dem die Schlampe sie auf so ekelhafte Weise verjagt hatte.
Geierkopf, der zeigte sich nicht so ausverschämt und erklärte, es wäre schon ganz nett, wenn man sehe, daß das Kleine ins Gras beiße, bevor es zur Welt komme. Diese Schwangerschaft hatte ihn besonders verärgert: ein Kind, das war das Ende seiner starrköpfigen Hoffnung, der endgültige Verlust des Besitzes. Als sie sich dann beide ins Bett legten und Lise die Kerze auspustete, lachte sie sonderbar und sagte, solange die Knirpse nicht gekommen sind, sei es möglich, daß sie vielleicht überhaupt nicht kommen.
Schweigen herrschte in der Dunkelheit, dann fragte er, warum sie ihm das denn sage.
An ihn gepreßt und den Mund an seinem Ohr, machte sie ihm ein Geständnis: letzten Monat habe sie zu ihrem Ärger gemerkt, daß es bei ihr abermals geschnappt habe, so daß sie, ohne ihn davon zu unterrichten, zur Sapin geflitzt sei, einer Alten aus Magnolles, die hexen konnte. Noch einmal schwanger, na danke schön! Er hätte sie schön empfangen! Die Sapin habe ihr das mit einer Nadel ganz einfach weggemacht.
Er hörte zu, ohne es zu billigen, ohne es zu mißbilligen, und seine Befriedigung klang nur in der spöttischen Art durch, mit der er den Gedanken zum Ausdruck brachte, daß sie sich eine Nadel hätte beschaffen müssen, für Françoise.
Sie erheiterte sich auch, packte ihn mit beiden Armen, flüsterte ihm zu, daß die Sapin eine andere Art lehre, oh, eine so komische Art!
Na, was für eine denn?
Nun ja! Ein Mann könne das wegmachen, was ein Mann gemacht habe: er brauche nur die Frau zu nehmen und ihr dabei dreimal das Kreuzeszeichen auf dem Bauch zu machen und ein AveMaria72 rückwärts aufzusagen. Falls ein Kleines da sei, streiche es ab wie ein Wind.
Geierkopf hörte auf zu lachen, sie taten beide, als zweifelten sie, aber die uralte Leichtgläubigkeit, die in die Knochen ihres Menschenschlags übergegangen war, schüttelte sie mit einem Schauder, denn jedermann wußte, daß die Alte aus Magnolie eine Ruh in ein
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