Die Erde
habe es gesehen. Du hast ihn gepackt, du hast ihn dazu gezwungen ... Ich hab's ja gesagt, daß all mein Unglück von dir herkommt! Wage du jetzt noch mal zu behaupten, daß du meinen Mann nicht verfuhrt hast, ja, sofort am Tage nach der Hochzeit, als ich dir noch die Nase abwischen mußte!« Ihre Eifersucht brach hervor, die seltsam wirkte nach ihrer Willfährigkeit, eine Eifersucht, die sich weniger auf diese Tat bezog als vielmehr auf die Hälfte dessen, was ihre Schwester ihr im Leben genommen hatte. Ware dieses Mädchen von ihrem Blut nicht geboren worden, hätte sie dann alles teilen müssen? Sie verwünschte sie, weil sie junger, frischer, begehrter war.
»Du lügst!« schrie Françoise. »Du weißt ganz genau, daß du lügst!«
»Ach ja! Ich lüge! Dann hast du ihn vielleicht nicht gewollt, wenn du ihm sogar bis in den Keller nachgestiegen bist.«
»Ich! Ich! Und vorhin, bin ich das auch noch gewesen? Drecksweib, du hast mich festgehalten! Ja, du hattest mir das Bein gebrochen! Und das, siehst du, das begreife ich nicht, du mußt ja auf widerliche Dinge stehen, oder du hast mich ermorden wollen, du Hure!«
In vollem Schwünge gab ihr Lise als Antwort eine Ohrfeige. Diese Roheit machte Françoise verrückt, und sie stürzte sich auf sie. Die Hände tief in den Taschen vergraben, grinste Geierkopf und schritt nicht ein, als eitler Hahn, um den sich zwei Hennen raufen. Und rasend und verrucht ging die Schlacht weiter, sie rissen sich die Häubchen runter, quetschten sich das Fleisch grün und blau, jede wühlte mit den Fingern, wo sie das Leben der anderen treffen könnte. Beide hatten sich herumgeschubst, waren in die Luzerne zurückgekommen. Aber Lise stieß ein Gebrüll aus, Françoise grub ihr die Fingernägel in den Hals; und da sah sie rot, ihr kam der deutliche, grelle Gedanke, ihre Schwester umzubringen. Links von Françoise hatte sie die Sense erblickt, die mit dem Stiel quer über ein Büschel Disteln gefallen war und deren Spitze hochstand. Es geschah in Blitzesschnelle, sie schmiß Françoise mit aller Kraft ihrer Handgelenke um. Strauchelnd drehte sich die Unglückliche, stürzte links nieder, einen furchtbaren Schrei ausstoßend. Die Sense war ihr in die Seite gedrungen.
»Himmelsakrament! Himmelsakrament!« stammelte Geierkopf.
Und das war alles. Eine Sekunde hatte genügt, das Nichtwiedergutzumachende war geschehen. Lise, die offenen Mundes dastand, als sie sah, daß so rasch in Erfüllung ging, was sie gewollt hatte, schaute zu, wie das durchschnittene Kleid von einer Blutwoge befleckt wurde. War das Eisen auch bis zu dem Kleinen gedrungen, weil das Blut so stark floß? Hinter der Miete kam das bleiche Gesicht des alten Fouan abermals zum Vorschein. Er hatte den Streich gesehen, seine trüben Augen blinzelten.
Françoise rührte sich nicht mehr, und Geierkopf, der herzutrat, wagte nicht, sie anzufassen. Ein Windhauch strich vorüber, ließ ihn in einem Entsetzensschauer bis in die Knochen zu Eis erstarren und ihm die Haare zu Berge stehen.
»Sie ist tot, hauen wir ab, Himmelsakrament!«
Er hatte Lises Hand ergriffen, sie wurden gleichsam hinweggerissen, die menschenleere Landstraße entlang. Der niedrige und düstere Himmel schien ihnen auf den Schädel zu fallen; der Widerhall ihrer galoppierenden Schritte klang ihnen in den Ohren wie der Lärm einer Menschenmenge, die zu ihrer Verfolgung losgelassen war; und sie rannten über die leere und flache Ebene, er mit vom Wind aufgeblähten Kittel, sie mit zerzaustem Haar, ihr Häubchen in der Faust, und beide wiederholten immerzu dieselben Worte, knurrten wie gehetzte Tiere: »Sie ist tot, Himmelsakrament! – Hauen wir ab, Himmelsakrament!«
Sie beschleunigten ihren Schritt noch, sie sprachen nicht mehr deutlich, grunzten unwillkürliche Laute, die den Takt angaben zu ihrer Flucht, ein Schnaufen, in dem noch zu unterscheiden war:
»Tot, Himmelsakrament! – Tot, Himmelsakrament! – Tot, Himmelsakrament!«
Sie verschwanden.
Als Jean einige Minuten später auf seinem trabenden Pferd zurückkam, erwartete ihn ein großer Schmerz.
»Was denn? Was ist bloß geschehen?«
Françoise, die wieder die Lider geöffnet hatte, bewegte sich noch immer nicht. Sie schaute ihn lange an mit ihren großen schmerzvollen Augen; und sie antwortete nicht, war gleichsam bereits sehr weit weg von ihm, dachte an mancherlei.
»Du bist verletzt, du blutest, antworte doch, ich bitte dich!« Er drehte sich zu Vater Fouan um, der näher kam. »Ihr wart da, was ist
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