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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Wiesel verwandelt und einen Toten auf erweckt hatte. Das mußte also wohl so sein, da sie es ja versicherte. Schließlich begehrte Lise sehr schmeichlerisch, daß er das mit dem rückwärts gesprochenen AveMaria und den drei Kreuzeszeichen bei ihr ausprobiere, weil sie sich Klarheit darüber verschaffen wolle, ob sie auch nichts spüre. Nein, nichts! Die Nadel hatte eben genügt. Bei Françoise hätte das verhehrend gewirkt!
    Er ulkte, könne er denn?
    Na, warum denn nicht, da er sie ja doch schon gehabt habe.
    Niemals!
    Er verwahrte sich nun dagegen, während seine Frau seine Finger tief in ihren eifersüchtig gewordenen Schoß steckte. Einander in den Armen liegend, schliefen sie ein.
    Seit dieser Zeit waren sie besessen von dem Gedanken an das Kind, das da wuchs, das sich anschickte, ihnen für immer das Haus und die Erde wegzunehmen; und wenn sie der jüngeren Schwester begegneten, konnten sie nicht mehr umhin, ihre Blicke sofort auf Françoises Bauch zu richten. Als sie sie auf dem Weg daherkommen sahen, nahmen sie mit einem kurzen Blick bei ihr Maß und waren erschüttert, festzustellen, daß die Schwangerschaft voranschritt und daß bald keine Zeit mehr sein werde.
    »Himmelsakrament!« brüllte Geierkopf und wandte sich wieder dem Sturzacker zu, den er eingehend musterte. »Der Dieb hat von unserem Stück einen reichlichen Fußbreit abgefressen ... Da ist nichts dran zu rütteln, da hast du den Grenzstein.«
    Ihre Furcht verbergend, war Françoise in demselben gelassenen Schritt immer näher gekommen. Da begriff sie den Grund der wütenden Gebärden. Jeans Pflug mußte wohl Geierkopfs Parzelle angeschnitten haben. Das waren diese ständigen Anlässe zu Streit; nicht ein Monat verging, ohne daß etwas, das mit der gemeinsamen Grenze zusammenhing, sie aufeinanderhetzte. Das konnte nur mit Schlägen und Prozessen enden.
    »Verstehst du!« fuhr er fort und hob die Stimme. »Ihr seid auf unserem Grund und Boden, ich werd euch Beine machen!«
    Aber die junge Frau war in ihr Luzernefeld hineingegangen, ohne auch nur den Kopf zu wenden.
    »Man redet mit dir«, schrie Lise außer sich. »Komm und sieh dir den Grenzstein an, wenn du glaubst, wir lugen ... Man muß sich Klarheit über den Schaden verschaffen.« Und angesichts des Schweigens, der Mißachtung, die ihre Schwester absichtlich an den Tag legte, verlor sie jedes Maß, schritt mit geballten Fäusten auf sie zu. »Hör mal, scherst du dich denn einen Dreck um uns? – Ich bin deine altere Schwester, du bist mir Ehrfurcht schuldig. Ich werde dich schon dazu bringen, auf Knien um Verzeihung zu bitten für alle Schweinereien, die du mir angetan hast.« Sie stand vor ihr, war rasend vor Rachsucht und sah rot. »In die Knie! In die Knie! Du Hure!«
    Immer noch blieb Françoise stumm wie am Abend der Austreibung und spuckte ihr ins Gesicht.
    Und Lise brüllte auf, da schritt Geierkopf ein, indem er sie heftig beiseite schob.
    »Laß sein, das ist meine Sache.«
    Ach ja, sie ließ ihn! Mochte er Françoise ruhig den Hals umdrehen und das Rückgrat brechen, wie einem abgestorbenen Baum; mochte er ruhig Hundefutter aus ihr machen, sich ihrer bedienen wie einer Nutte: sie, sie würde ihn nicht daran hindern, sie wurde ihm eher helfen! Und kerzengerade dastehend, hielt sie von diesem Augenblick an Ausschau und paßte auf, daß man ihn nicht störe.
    Rings um sie alle dehnte sich unter dem düsteren Himmel die unermeßliche und graue Ebene ohne eine Menschenseele.
    »Mach doch los, es ist niemand da!«
    Geierkopf schritt auf Françoise zu, und als diese ihn sah, sein hartes Gesicht, seine angespannten Arme, glaubte sie, er werde sie gleich schlagen. Sie hatte ihre Sense nicht losgelassen, aber sie zitterte; er hielt übrigens bereits den Griff der Sense fest; er entriß sie ihr, warf sie in die Luzerne.
    Um ihm zu entweichen, konnte sie nur noch rückwärts gehen, sie ging so ins Nachbarfeld hinüber, sie wandte sich der Miete zu, die sich dort befand, als hoffe sie, sich daraus einen Schutzwall machen zu können.
    Er, er hatte es nicht eilig, er schien sie ebenfalls dorthin zu drängen mit seinen allmählich ausgebreiteten Armen, seinem erschlafften Gesicht mit dem lautlosen Lachen, das sein Zahnfleisch entblößte.
    Und auf einmal begriff sie, daß er sie nicht schlagen wollte. Nein, er wollte etwas anderes, wollte das, was sie ihm so lange verweigert hatte. Da zitterte sie noch mehr, als sie fühlte, wie ihre Kraft sie im Stich ließ, sie, die Unerschrockene, die einst

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