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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sie auf zu lachen, sie rang nach Atem, brach in Tränen aus. Die Finsternis der Landstraße schien sie wieder zu verschlucken, sie verschwand, in kindlicher Verzweiflung stammelnd:
    »Oh, das ist schweinisch, das ist schweinisch! Ich mag dich nicht mehr leiden!«
    Delphin war stumm geblieben, und er ging wieder weiter mit entschlossener Miene.
    »Komm doch, ich werd dir was Komisches zeigen.«
    Alsdann beschleunigte er seinen Schritt, wich vom Wege ab, um quer durch die Weinberge das Haus zu erreichen, in dem die Gemeinde den Feldhüter untergebracht hatte, seit das Pfarrhaus dem Pfarrer zurückgegeben war. Dort also wohnte er mit seinem Vater. Er ließ seinen Kumpan in die Küche eintreten, wo er eine Kerze anzündete, er war froh, daß seine Eltern noch nicht zurück waren.
    »Trinken wir einen Schluck«, erklärte er und stellte zwei Gläser und eine Literflasche auf den Tisch. Nachdem er getrunken hatte, schnalzte er mit der Zunge und fügte dann hinzu: »Ich will dir bloß sagen, wenn die glauben, die haben mich mit ihrer schlechten Nummer, da irren die sich ... Als ich beim Tode unseres Onkels Michel drei Tage in Orleans bleiben mußte, wäre ich beinahe abgekratzt, so krank hat mich das gemacht, daß ich nicht mehr bei uns daheim war. Na? Du findest das dumm, aber was soll man da machen? Das ist stärker als ich, ich bin wie ein Baum, der eingeht, wenn man ihn aus der Erde reißt ... Und sie sollten mich nehmen, mich zum Teufel führen können, in Gegenden, die ich nicht einmal kenne? Ach, nein, ach, nein!«
    Nénesse, der ihn oft hatte so reden hören, zuckte die Achseln.
    »Man sagt das so, und dann muß man trotzdem fort ... Schließlich gibt's Gendarmen.«
    Ohne zu antworten, hatte sich Delphin umgedreht und mit der linken Hand ein an der Wand lehnendes kleines Beil gepackt, das zum Spalten der Holzscheite diente. Dann legte er gelassen den Zeigefinger seiner rechten Hand auf die Tischkante; und nach einem kurzen Hieb sprang der Finger ab.
    »Da hast du, was ich dir hatte zeigen wollen ... Ich will, daß du den andern sagen kannst, ob ein Feigling so was macht.«
    »Himmelsakrament, du Schafskopf!« schrie Nénesse bestürzt. »Verstümmelt man sich denn! Du bist kein Mann mehr!«
    »Ich pfeif drauf! – Sollen sie doch kommen, die Gendarmen! Ich bin sicher, daß ich nicht fortmuß.« Und er hob den abgehauenen Finger auf, warf ihn ins brennende Stubbenfeuer. Nachdem er seine vom Blut über und über rote Hand abgeschüttelt hatte, umwickelte er sie derb mit seinem Taschentuch, das er mit einer Schnur festband, um das Bluten zu stillen.
    »Das soll uns nicht hindern, die Flasche auszutrinken, bevor wir wieder zu den anderen gehen ... Auf dein Wohl!«
    »Auf dein Wohl!«
    Bei Lengaigne konnte man in der Gaststube der Schenke einander nicht mehr sehen, nicht mehr hören vor Rauch und Gegröle. Außer den Burschen, die vom Auslosen kamen, waren dort eine Menge Menschen: Jesus Christus und sein Freund Kanone, die damit beschäftigt waren, Vater Fouan zum Saufen zu verleiten, und die alle drei um eine Literflasche Schnaps herum saßen; Bécu, der völlig besoffen war, dem das Pech seines Sohnes den Rest gegeben hatte und der an einem Tisch blitzartig vom Schlaf übermannt worden war; Delhomme und Clou, die eine Partie Piquet spielten; nicht gerechnet Lequeu, der die Nase in einem Buch hatte und so tat, als lese er trotz des Lärms.
    Eine Prügelei unter den Weibern hatte die Köpfe noch mehr erhitzt; es war dazu gekommen, als Flore zum Brunnen gegangen war, um einen Krug frisches Wasser zu holen, und dort Cœlina getroffen hatte, die, mit den Fingernägeln kratzend, über sie hergefallen war und sie dabei beschuldigt hatte, sie werde von den Steuerschnüfflern bezahlt, um ihre Nachbarn zu verraten. Macqueron und Lengaigne, die herbeigeeilt waren, hätten sich beinahe auch gehauen; Macqueron schwor, er werde dafür sorgen, daß Lengaigne geschnappt werde, wenn der gerade dabei sei, seinen Tabak anzufeuchten; Lengaigne grinste, rieb Macqueron seinen Rücktritt unter die Nase; und alle Welt hatte sich aus purem Vergnügen am Fäusteballen und lauten Schreien eingemischt, so daß man einen Augenblick lang eine allgemeine Keilerei befürchten mußte. Das war zwar vorbei, aber ein schlecht befriedigter Zorn, das Bedürfnis nach einer Schlägerei war davon zurückgeblieben.
    Zunächst wäre es beinahe zwischen Victor, dem Sohn des Hauses, und den Wehrpflichtigen dazu gekommen. Er, der seine Zeit abgedient hatte, tat

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