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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Unterricht, sprach er von dem Getreide da drüben. Unermeßliche Ebenen, weit wie Königreiche, darin sich die Beauce verlieren würde wie eine einfache trockene Ackerscholle; eine so fruchtbare Erde, daß man sie, anstatt sie zu düngen, durch eine Vorernte erschöpfen mußte, was sie nicht hinderte, trotzdem zweimal im Jahr Ertrag zu bringen; Farmen von dreißigtausend Hektar, in Abschnitte aufgeteilt, die wiederum in Parzellen unterteilt waren, jeder Abschnitt unter einem Aufseher, jede Parzelle unter einem Vorarbeiter, und die ausgestattet waren mit Unterbringungsmöglichkeiten für die Menschen, die Tiere, die Geräte, die Küchen; Landwirtschaftsbataillone, die im Frühling angeworben wurden, nach dem Vorbild einer im Felde stehenden Armee organisiert waren, im Freien lebten, Unterkunft, Beköstigung, Wäsche, ärztliche Betreuung bekamen und im Herbst entlassen wurden; mehrere Kilometer lange Furchen waren zu pflügen und zu besäen, Meere von Ähren zu mähen, deren Ufer man nicht absah; dem Menschen oblag die Aufsicht, die ganze Arbeit wurde von Maschinen getan, mit Schneidescheiben ausgerüstete Doppelpflüge, Drillmaschinen und Kultivatoren, Mähbinder, fahrbare Dreschmaschinen mit Strohelevatoren und Einsackern; Bauern, die Maschinisten sind, ein Zug Arbeiter, die zu Pferd jeder Maschine folgen und stets bereit sind, abzusitzen, um eine Schraube anzuziehen, einen Bolzen auszuwechseln, ein Ersatzstück zu schmieden; kurzum, die zu einem Bankgeschäft gewordene, von Finanzleuten bewirtschaftete Erde, die planmäßig ausgebeutete, die ratzekahl geschorene Erde, die der materiellen und unpersönlichen Macht der Wissenschaft das Zehnfache dessen gab, was sie der Liebe und den Armen des Menschen streitig machte. »Und ihr hofft, mit euern schäbigen Geräten kämpfen zu können«, fuhr er fort, »ihr, die ihr nichts wißt, die ihr nichts Neues wollt, die ihr versumpft in euerm Schlendrian! – Ach was! Bis zu den Knien reicht's euch, das Getreide von drüben! Und das wird noch steigen, die Schiffe werden immer mehr Getreide bringen. Wartet ein bißchen, es wird euch bis zum Bauch reichen, bis zu den Schultern, dann bis zum Mund, dann bis über den Kopf! Ein Fluß, ein reißender Strom, ein Überschwemmen, bei dem ihr alle verrecken werdet!«
    Die Bauern machten große Augen, wurden von Panik befallen bei dem Gedanken an diese Überschwemmung mit ausländischem Getreide. Sie litten bereits darunter, sollten sie denn davon ertränkt und weggeschwemmt werden, wie dieser Kerl es ankündigte? Das nahm Gestalt an für sie. Rognes, ihre Felder, die ganze Beauce ward verschlungen.
    »Nein, nein, niemals!« schrie Delhomme, nach Luft ringend. »Die Regierung wird uns beschützen.«
    »Ein Trottel, die Regierung!« entgegnete Lequeu mit verächtlicher Miene. »Soll sie sich erst mal selber beschützen! – Spaßig ist, daß ihr Herrn Rochefontaine benannt habt. Der Besitzer von La Borderie war wenigstens konsequent in seinen Ideen, indem er Herrn de Chédeville wollte ... Ob der eine oder der andere, das ist übrigens beides nur ein Pflaster auf ein Holzbein. Keine Abgeordnetenkammer wird es wagen, für einen ausreichenden Steueraufschlag zu stimmen, der Schutzzoll kann euch nicht retten, ihr seid futsch! Guten Abend!«
    Da gab es einen großen Tumult, alle redeten gleichzeitig. Könne man es denn nicht verhindern, daß dieses Unglücksgetreide hereinkomme? Man würde die Schiffe in den Häfen versenken, man würde hinziehen, um jene mit Flintenschüssen zu empfangen, die das Getreide brächten. Sie bekamen bebende Stimmen, sie hätten am liebsten weinend, flehend die Arme ausgestreckt, man möge sie retten vor diesem Überfluß, vor diesem billigen Brot, das das Land bedrohte.
    Und grinsend antwortete der Schulmeister, so was habe man noch niemals erlebt: einst war die einzige Angst die Hungersnot, immer fürchtete man, nicht genug Getreide zu haben, und es mußte wahrhaftig erbärmlich zugehen, wenn es schon so weit war, daß man fürchtete, zuviel Getreide zu haben. Er berauschte sich an seinen Worten, er übertönte die wütenden Proteste:
    »Ihr seid ein Gezücht, mit dem es aus, ist, die blöde Liebe zur Erde hat euch aufgefressen, ja! Die Liebe zu dem Fleckchen Erde, dessen Sklaven ihr bleibt, das euch den Verstand hat einschrumpfen lassen, für das ihr Morde begehen würdet! Seit Jahrhunderten seid ihr nun mit der Erde verheiratet, und seit Jahrhunderten betrügt sie euch ... Seht, in Amerika ist der Landwirt der

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