Die Erde
selber so zugerichtet. In ihrer Raserei, ihn zu zerstampfen, hatten sie ihm die Nase tief in den Mund hineingedrückt; und er war blauschwarz, ein richtiger Neger. Einen Augenblick lang fühlten sie den Boden unter ihren Füßen wanken: sie hörten den Galopp der Gendarmen, die Ketten des Gefängnisses, das Beil der Guillotine. Diese schlecht verrichtete Arbeit erfüllte sie mit Entsetzen und Bedauern. Wie das nun wieder hinkriegen? Man hätte ihm noch so sehr das Gesicht mit Seife waschen können, niemals wäre er wieder weiß geworden. Und diese Angst, als sie ihn hier so schwarz wie Ruß sahen, ließ sie auf einen Einfall kommen.
»Wenn man ihn verbrennen würde?« murmelte Lise.
Erleichtert atmete Geierkopf tief auf.
»Das ist richtig, wir werden sagen, er hat sich selber angezündet.« Da ihm dann die Wertpapiere eingefallen waren, klatschte er in die Hände, sein ganzes Gesicht heiterte sich auf bei einem triumphierenden Lachen. »Ach, Himmelsakrament! Das geht, wir werden ihnen einreden, daß er die Papiere samt sich selber hat in Flammen aufgehen lassen ... Da ist keine Abrechnung zu machen!«
Sofort rannte er die Kerze holen. Aber sie, die Angst hatte, Feuer zu legen, wollte zunächst nicht, daß er sich mit der Kerze dem Bett näherte. Strohbündel lagen in einer Ecke hinter den Runkelrüben; und sie nahm eines, setzte es in Flammen, begann damit die Haare und den sehr langen, ganz weißen Bart des Vaters zu versengen. Das roch nach stinkigem Fett, das knisterte mit kleinen gelben Flammen. Plötzlich schreckten sie mit sperrangelweit offenem Mund zurück, als habe eine kalte Hand sie an den Haaren gezogen. Im gräßlichen Schmerz der Verbrennungen hatte der noch nicht ganz erstickte Vater soeben die Augen geöffnet, und diese greuliche schwarze Maske mit der großen zerbrochenen Nase, mit dem in Brand gesetzten Haar starrte sie an mit einem gräßlichen Ausdruck von Schmerz und Haß. Dann zerfiel das ganze Gesicht, er starb.
Wie von Sinnen, stieß Geierkopf ein wütendes Gebrüll aus, da hörte er, wie an der Tür jemand in Schluchzen ausbrach. Das waren die beiden Kleinen, Laure und Jules, die dort im Hemd standen, weil der Lärm sie aufgeweckt und die große Helligkeit in dieser offenstehenden Stube sie herbeigelockt hatte. Sie hatten alles gesehen, sie heulten vor Entsetzen.
»Himmelsakrament, so ein Gewürm!« schrie Geierkopf und stürzte sich auf sie. »Wenn ihr schwatzt, erwürge ich euch ... Da, damit ihr das nicht vergeßt!« Mit ein paar Ohrfeigen hatte er sie zu Boden geworfen.
Ohne eine Träne rappelten sie sich wieder auf, sie rannten davon, um sich auf ihrer Matratze zusammenzurollen, wo sie sich nicht mehr rührten.
Und er wollte nun damit Schluß machen, er zündete gegen den Willen seiner Frau den Strohsack an. Glücklicherweise war der Raum so feucht, daß das Stroh nur langsam brannte. Dicker Rauch stieg auf, halb erstickt öffneten sie die Luke. Dann schlugen die Flammen los, wuchsen bis zur Decke empor. Der Vater krachte darunter, und der unerträgliche Geruch verstärkte sich, der Geruch gebratenen Fleisches. Die ganze alte Bleibe wäre wie eine Strohmiete in Flammen aufgegangen, wenn das Stroh beim Brodeln der Leiche nicht wieder angefangen hätte zu qualmen. Auf den Querschienen der eisernen Bettstelle lag nur noch dieser halb verkohlte, entstellte, unkenntliche Kadaver. Eine Ecke des Strohsacks war unversehrt geblieben, ein Zipfel des Lakens hing noch herab.
»Komm, wir ziehen Leine«, sagte Lise, die trotz der großen Hitze von neuem mit den Zähnen klapperte.
»Warte mal«, antwortete Geierkopf, »man muß das alles ein bißchen zurechtmachen.« Ans Kopfende des Bettes stellte er einen Stuhl, auf dem er die Kerze des Alten umriß, um den Eindruck zu erwecken, sie sei auf den Strohsack gefallen. Er war sogar so durchtrieben, Papier auf dem Fußboden in Flammen aufgehen zu lassen. Man würde die Asche finden, er würde erzählen, daß der Alte am Tage zuvor seine Wertpapiere entdeckt und behalten habe. »Das ist geschafft, nun ins Bett!«
Geierkopf und Lise rannten, drängelten sich hintereinander, plumpsten wieder in ihr Bett. Aber die Laken waren eiskalt geworden, in einer heftigen Umarmung nahmen sie einander wieder, um es warm zu haben. Als der Tag anbrach, schliefen sie noch nicht. Sie sagten nichts, sie zuckten hin und wieder zusammen und hörten danach ihr Herz in heftigen Schlägen pochen. Die Tür zur Nebenstube, die offengeblieben war, war ihnen lästig, und der
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