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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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weil er diese Bleibe nicht verlassen wollte, darin seine Frau im Sterben gelegen, darin ihm alles Glück seines Lebens festgehalten zu sein schien.
    Geierkopf, der bei dem Gedanken, die zurückeroberte Festung nicht aufzugeben, auch rasend geworden war, begriff, daß er dem ein Ende bereiten müsse. Er erwiderte:
    »Und außerdem ist das noch nicht alles, du kotzt uns an!« Er war über den Tisch hinweggesprungen, er fiel wieder über den anderen her.
    Aber Jean packte einen Stuhl, warf Geierkopf über den Haufen, indem er ihm den Stuhl zwischen die Beine schmiß; und er flüchtete sich hinten in die Nebenstube, um sich dort zu verbarrikadieren, da entsann sich die Frau jäh des Geldes, der hundertsiebenundzwanzig Francs, die sie im Kommodenschub erblickt hatte. Sie glaubte, er renne das Geld holen, sie kam ihm zuvor, riß den Schub auf, stieß ein Schmerzensgeheul aus.
    »Das Geld! Dieser gottverdammte Kerl hat das Geld heute nacht gestohlen!«
    Und von da an war Jean verloren, weil er seine Tasche zu beschützen hatte. Er schrie, das Geld gehöre ihm, er wolle gern abrechnen, und sie würden ihm noch welches schuldig bleiben, ganz sicher! Aber die Frau und der Mann hörten nicht auf ihn, die Frau hatte sich auf ihn gestürzt, haute stärker zu als der Mann. Mit einem tollen Stoß wurde er aus der Stube rausgesetzt, in die Küche zurückgebracht, wo sie sich alle drei als eine wirre, von den Ecken der Möbelstücke abprallende Masse drehten. Mit Fußtritten schaffte er sich Lise vom Halse. Sie kam zurück, krallte ihm ihre Fingernägel in den Nacken, während Geierkopf, der Anlauf nahm, wie ein Widder mit dem Kopf zustieß, ihn rausschmiß, daß er auf der Dorfstraße der Länge nach hinfiel.
    Sie blieben, sie versperrten die Tür mit ihren Leibern und schrien dabei:
    »Dieb, der unser Geld gestohlen hat! – Dieb! Dieb! Dieb!«
    Nachdem sich Jean wieder aufgerafft hatte, antwortete er, stammelnd vor Weh und Zorn:
    »Gut, ich geh zum Richter nach Châteaudun, und er wird dafür sorgen, daß ich wieder in mein Zuhause einziehe, und ich werde euch gerichtlich belangen wegen Schadenersatz ... Wiedersehen!«
    Er drohte ihnen noch mit der Faust, er verschwand, ging zur Ebene hinauf.
    Als die Familie gesehen hatte, daß sich die beiden Männer prügelten, hatte sie sich vorsichtigerweise aus dem Staube gemacht, wegen möglicher Prozesse.
    Da stießen die Geierkopfs einen wilden Siegesschrei aus. Endlich hatten sie ihn also auf die Straße gesetzt, den Fremden, der sich widerrechtlich den Besitz angeeignet hatte! Und sie waren wieder heimgekehrt in das Haus, sie hatten ja gesagt, daß sie wieder dahin heimkehren würden! Das Haus! Das Haus! Bei dem Gedanken, daß sie wieder im alten, einst von einem Vorfahren erbauten Vaterhaus waren, wurden sie von einem jähen Anfall toller Freude erfaßt. Sie galoppierten durch die Räume, brüllten sich heiser aus purem Vergnügen, bei sich zu Hause zu brüllen. Die Kinder, Laure und Jules, kamen angelaufen, trommelten auf einer alten Pfanne. Allein Vater Fouan, der auf der Steinbank sitzen geblieben war, sah mit seinen trüben Augen zu, ohne zu lachen, wie sie an ihm vorbeitanzten.
    Jäh hielt Geierkopf inne.
    »Himmelsakrament! Er ist über die Höhe langgeflitzt, wenn er bloß nicht hingegangen ist, um der Erde was anzutun!«
    Das war unsinnig, aber dieser Leidenschaftsschrei hatte ihn aus der Fassung gebracht. Der Gedanke an die Erde kam ihm wieder wie ein jäher Stoß ruheloser Lust. Ach, die Erde, sie hielt ihn im Innersten noch mehr gepackt als das Haus! Dieses Stück Erde da oben, das das Loch zwischen seinen beiden Stümpfen ausfüllte, das ihm seine Parzelle von drei Hektar so schön wiederherstellte, wie selbst Delhomme keine dergleichen besaß! All seine Sinne begannen vor Freude zu leben, wie bei der Rückkehr eines begehrten und verloren geglaubten Weibes. In seiner irren Furcht, der andere könnte sie entführen, verdrehte ihm ein augenblickliches Bedürfnis, sie wiederzusehen, den Kopf. Er rannte davon und schimpfte dabei, daß er keine Ruhe hätte, solange er nicht Bescheid wisse.
    Jean war tatsächlich zur Ebene hochgegangen, um dem Dorf auszuweichen; und aus Gewohnheit folgte er dem Weg nach La Borderie. Als Geierkopf ihn erblickte, ging er gerade längs des Ackerstücks Les Cornailles vorbei; aber er blieb nicht stehen, er warf auf dieses so sehr umstrittene Feld nur einen Blick voller Argwohn und Trauer, als bezichtige er es, ihm Unglück gebracht zu haben; denn

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