Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
Gedanke, sie zuzumachen, beunruhigte sie noch mehr. Schließlich dösten sie ein, ohne einander loszulassen.
    Am Morgen kam bei den verzweifelten Rufen von Geierkopfs die Nachbarschaft angerannt. Die Frimat und die anderen Frauen stellten fest, daß die Kerze umgerissen war, der Strohsack halb zerstört, die Papiere zu Asche verbrannt. Alle schrien, das hätte ja eines Tages so kommen müssen mit diesem wieder kindisch gewordenen Alten, sie hätten es hundertmal vorausgesagt. Und ein Glück noch, daß das Haus nicht mit ihm zusammen abgebrannt war.
     

Kapitel
    Am nächsten Vormittag wurde Françoises Leiche fertig eingesargt, und der Sarg blieb mitten in der Stube auf zwei Stühlen stehen; da zuckte Jean in entrüsteter Verwunderung zusammen, als er Lise und Geierkopf hintereinander hereinkommen sah. Seine erste Anwandlung war, sie hinauszujagen, diese herzlosen Verwandten, die nicht gekommen waren, die Sterbende zu umarmen, und die schließlich eintrafen, sobald man den Deckel über ihr zugenagelt hatte, als seien sie von der Furcht erlöst, ihr wieder von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten. Aber die anwesenden Mitglieder der Familie, Fanny und die Große, hielten ihn zurück: das bringe kein Glück, sich angesichts eines Toten zu streiten. Na, was denn? Außerdem könne man Lise nicht daran hindern, ihren Groll zu tilgen, indem sie sich entschloß, bei den sterblichen Resten ihrer Schwester Totenwache zu halten.
    Und Geierkopfs, die auf die dem Sarg schuldige Achtung gerechnet hatten, ließen sich nieder. Sie sagten nicht, daß sie das Haus wieder in Besitz nahmen; bloß sie taten das mit einer so selbstverständlichen Art, als ginge das jetzt von allein, da Françoise nicht mehr da war. Sie war zwar noch da, aber verpackt für die große Reise, nicht hinderlicher als ein Möbelstück. Nachdem sich Lise einen Augenblick hingesetzt hatte, vergaß sie sich so weit, die Schränke zu öffnen, sich zu vergewissern, ob die Gegenstände während ihrer Abwesenheit auch nicht von der Stelle gerückt worden waren. Geierkopf strich bereits im Pferdestall und im Viehstall herum, als erfahrener Mann, der wie der Herr des Hauses kurz nach dem Rechten sieht. Am Abend schienen sie beide wieder ganz und gar nach Hause zurückgekehrt zu sein, und nur der Sarg stand ihnen nun noch im Wege in der Stube, deren Mitte er versperrte. Sie brauchten sich übrigens nur eine Nacht zu gedulden: am nächsten Morgen würde schließlich beizeiten alles raus sein.
    Inmitten der Familie trat Jean von einem Fuß auf den anderen, wirkte verloren, wußte nicht, was er mit sich anfangen sollte. Zunächst schienen das Haus, die Möbel, Françoises Leiche ihm zu gehören. Aber je mehr Stunden verstrichen, desto mehr löste sich das alles von ihm, schien auf die anderen überzugehen. Als die Nacht hereinbrach, richtete niemand mehr das Wort an ihn, er war hier nur noch ein geduldeter Eindringling. Niemals war er sich so schmerzlich bewußt geworden, ein Fremder zu sein, keinen der Seinen unter diesen Leuten zu haben, die alle verbündet, alle einig waren, sobald es sich darum handelte, ihn auszuschließen. Sogar seine arme tote Frau hörte auf, ihm zu gehören, und zwar so sehr, daß ihn Fanny, als er die Absicht äußerte, an der Leiche Nachtwache zu halten, hatte wegschicken wollen unter dem Vorwand, es seien bereits zu viele Leute da. Er hatte jedoch darauf bestanden, er war sogar auf den Gedanken gekommen, das Geld aus der Kommode zu nehmen, die hundertsiebenundzwanzig Francs, um sicher zu sein, daß sie sich nicht verflüchtigten. Lise mußte das Geld gleich bei ihrer Ankunft, als sie den Schubkasten aufzog, gesehen haben, ebenso wie das Blatt Stempelpapier, denn sie hatte angefangen, mit der Großen zu tuscheln; und von da an ließ sie sich so behaglich wieder nieder, weil sie die Gewißheit hatte, daß kein Testament vorhanden war. Das Geld, das sollte sie immerhin nicht kriegen. In Vorahnung der Ereignisse des nächsten Tages sagte sich Jean, daß er wenigstens das behalten müsse. Er hatte dann die Nacht auf einem Stuhl zugebracht.
    Am nächsten Morgen fand die Beerdigung frühzeitig statt, um neun Uhr; und Abbé Madeline, der am Abend abreiste, konnte noch die Messe lesen und bis zum Grabe mitkommen; aber er wurde ohnmächtig, man mußte ihn forttragen. Die Charles waren gekommen, ebenso wie Delhomme und Nénesse. Das wurde eine Beerdigung, ganz wie es sich gehörte, ohne irgend etwas zuviel. Jean weinte. Geierkopf wischte sich die

Weitere Kostenlose Bücher