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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Françoise ernannt worden war, bewog die beiden, sie und ihre um zehn Jahre ältere Schwester Lise, ihr Land bis auf ein Endchen Wiese an Vetter Delhomme zu verpachten, damit es ordentlich bestellt und instand gehalten würde. Nun, da die beiden Mädchen allein im Hause waren, ohne Vater oder Bruder, hätten sie einen Knecht nehmen müssen, was wegen des steigenden Lohnes zu kostspielig war. Delhomme erwies ihnen übrigens damit lediglich eine Gefälligkeit und verpflichtete sich, den Pachtvertrag zu lösen, sobald die Heirat einer der beiden Töchter die Erbteilung erfordern würde.
    Indessen behielten Lise und Françoise, nachdem sie ihr überflüssig gewordenes Pferd ebenfalls dem Vetter abgetreten hatten, die beiden Kühe Coliche und Blanchette sowie den Esel Gédéon. Sie behielten desgleichen ihren halben Arpent Gemüsegarten, den instand zu halten die Ältere sich vorbehielt, während sich die Jüngere um die Tiere kümmern wollte. Gewiß gab es da noch Arbeit; aber es ging ihnen nicht schlecht, Gott sei Dank! Sie würden es schon schaffen.
    Die ersten Wochen waren sehr schwer, denn es galt, die Hagelschäden wiedergutzumachen, den Garten umzugraben, das Gemüse neu zu pflanzen; und das gerade veranlaßte Jean, bei ihnen mit Hand anzulegen. Ein Band knüpfte sich zwischen ihm und den beiden, seit er ihren Vater sterbend zurückgebracht hatte. Am Tage nach der Beerdigung kam er sich nach ihnen erkundigen. Dann kam er wieder, um zu plaudern, wurde nach und nach so vertraut und so gefällig, daß er eines Nachmittags Lise den Spaten aus den Händen nahm, um ein Beet fertig umzugraben. Von da an widmete er ihnen die Stunden, die ihm seine Arbeiten auf dem Gehöft noch ließen. Er gehörte zum Hause, zu diesem alten angestammten Hause der Fouans, das von einem Vorfahren vor dreihundert Jahren gebaut worden war und das die Familie mit einer Art Kult verehrte. Wenn sich Vater Fliege zu seinen Lebzeiten beschwerte, daß er bei der Teilung das schlechte Los bekommen habe, und seine Schwester und seinen Bruder des Diebstahls beschuldigte, antworteten diese: »Und das Haus! Hat er nicht das Haus?«
    Armseliges, lumpiges Haus, zusammengesackt, rissig und wackelig, überall mit Bretterenden und Gipsbrocken geflickt! Es war wohl aus Sandsteinen und Lehm gebaut worden; später hatte man zwei Mauern mit Mörtel ausgebessert; zu Beginn des Jahrhunderts schickte man sich schließlich darein, das Dachstroh durch eine Bedachung aus Schieferplatten zu ersetzen, die heute verwittert waren. So hatte das Haus Bestand gehabt, und es hielt noch, steckte einen Meter tief in der Erde, wie man einst alle Häuser in Gruben baute, zweifellos, um es wärmer zu haben. Das brachte die Unannehmlichkeit mit sich, daß bei schweren Gewittern das Wasser hereinströmte; und man mochte den gestampften Boden dieses Kellers noch so sehr fegen, es blieb immer Schmutz in den Ecken. Aber besonders schlau war es gewesen, es so hinzusetzen, daß es den Rücken dem Norden zukehrte, der unermeßlichen Beauce, von wo die furchtbaren Winterwinde wehten; nach dieser Seite tat sich in der Küche nur eine schmale Luke auf, die mit einem Fensterladen verrammelt war und sich in gleicher Höhe mit dem Wege befand, während auf der anderen Seite, auf der Südseite, die Tür und die Fenster waren. Man hätte es für eine jener Fischerkaten am Ufer des Meeres halten können, die mit einer Ritze zu den Wogen hinschauen. Die Winde der Beauce hatten das Haus durch das viele Dagegenstoßen nach vorn gebeugt; es stand gebückt, es sah aus wie eine jener steinalten Frauen, deren Kreuz krumm wird.
    Und bald kannte Jean auch den kleinsten Winkel des Hauses. Er half, die Stube des Verstorbenen zu säubern, die vom Dachboden abgeteilte Ecke, die lediglich durch eine Bretterwand davon getrennt war und in der nur eine alte Lade voller Stroh, die als Bett diente, ein Stuhl und ein Tisch standen. Unten kam er nicht über die Küche hinaus, er vermied es, den beiden Schwestern in ihre Stube zu folgen, durch deren stets sperrangelweit offene Tür man den Alkoven mit den zwei Betten, den großen Nußbaumschrank und einen prächtigen geschnitzten runden Tisch sah, ohne Zweifel ein einst gestohlenes Überbleibsel vom Schloß. Hinter dieser Stube lag noch eine andere, die so feucht war, daß der Vater vorgezogen hatte, oben zu schlafen: es tat einem sogar leid, die Kartoffeln darin zu verwahren, denn sie keimten dort sofort. In der Küche aber hielt man sich auf, in diesem weiten

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