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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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verräucherten Raum, in dem seit drei Jahrhunderten die Generationen der Fouans einander ablösten. Diese Küche roch nach langer Mühsal, nach magerer Kost, nach den fortwährenden Anstrengungen eines Geschlechts, dem es mit knapper Mühe und Not gelungen war, nicht vor Hunger zu verrecken, indem es sich totschuftete, ohne daß es jemals im Dezember einen Sou mehr besessen hätte als im Januar. Eine Tür, die unmittelbar in den Stall führte, brachte die Kühe mit der Familie zusammen; und wenn diese Tür geschlossen war, konnte man noch durch eine in die Mauer eingelassene Scheibe auf die Kühe aufpassen. Dahinter lag noch der Pferdestall, in dem Gédéon allein übriggeblieben war, dann ein Schuppen und ein Holzstall, so daß man nicht hinauszugehen brauchte, man konnte überall hin. Draußen sorgte der Regen dafür, daß der Tümpel nicht leer wurde, der allein das Wasser für die Tiere und zum Gießen lieferte. Jeden Morgen mußte man zum Brunnen unten an der Landstraße hinabgehen, um das Trinkwasser zu holen.
    Jean gefiel es hier, und er fragte sich nicht, was ihn immer wieder herführte. Die lustige Lise hieß ihn mit ihrer ganzen rundlichen Person willkommen. Mit ihren sechsundzwanzig Jahren wirkte sie bereits alt, sie wurde häßlich, besonders seit ihrer Entbindung. Aber sie hatte dicke, stämmige Arme, sie war so mit Leib und Seele bei der schweren Arbeit, klopfte drauflos, schrie, lachte, daß das Auge an ihr seine helle Freude hatte. Jean behandelte sie als Frau, duzte sie nicht, wohingegen er Françoise weiter duzte, die mit ihren fünfzehn Jahren für ihn ein junges Ding war. Françoise, die die frische Luft und die harten Arbeiten noch nicht häßlich gemacht hatten, behielt ihr hübsches längliches Gesicht mit der kleinen starrsinnigen Stirn, den schwarzen und stummen Augen, dem aufgeworfenen Mund, den frühzeitiger Flaum überschattete; und obwohl man sie für ein ganz junges Ding hielt, war auch sie Bereits Frau; man brauchte sie nicht zu sehr zu kitzeln, um ihr ein Kind zu machen, wie ihre Schwester sagte. Lise hatte sie großgezogen, weil ihre Mutter tot war: daher rührte die große zärtliche Zuneigung der beiden, die rege und geräuschvoll von seiten der Älteren war und leidenschaftlich und verhalten bei der Jüngeren. Diese kleine Françoise galt als ein Dickkopf. Ungerechtigkeit brachte sie außer sich. Wenn sie gesagt hatte: »Das gehört mir, das gehört dir!«, hätte sie nicht lockergelassen, wenn man ihr auch das Messer an die Kehle gesetzt hätte; und wenn sie Lise verehrte, so, abgesehen von allem andern, aus der Vorstellung heraus, daß sie ihr diese Verehrung wohl schuldig sei.
    Übrigens zeigte sie sich vernünftig, sehr brav, hatte keine garstigen Gedanken, wurde allein von diesem frühreifen Blut gepeinigt, das sie weich, etwas genäschig und träge machte. Eines Tages begann auch sie, zu Jean du zu sagen wie zu einem viel älteren und gutmütigen Freund, der mit ihr zusammen spielte, der sie mitunter neckte, der absichtlich schwindelte und ungerechte Sachen unterstützte, weil er seinen Spaß daran hatte, wenn er sah, wie ihr vor Zorn die Luft wegblieb.
    An einem Sonntag, an einem bereits brennendheißen Juninachmittag, jätete Lise im Gemüsegarten die Erbsen; und unter einem Pflaumenbaum hatte sie Jules abgesetzt, der dort eingeschlafen war. Senkrecht prallte die Sonne auf Lise nieder, sie schnaufte, stand tief gebückt und riß das Unkraut aus; da ertönte eine Stimme hinter der Hecke:
    »Was denn? Nicht mal am Sonntag ruht man sich aus?«
    Sie hatte die Stimme erkannt, sie richtete sich auf und war trotz des vor Anstrengung hochgeröteten Gesichts und der roten Arme zum Lachen aufgelegt.
    »Freilich nicht! Am Sonntag ebensowenig wie in der Woche, die Arbeit wird nicht von allein!«
    Sie sprach mit Jean. Er ging an der Hecke entlang, kam zum Hof herein.
    »Laßt doch sein. Ich werd Eure Arbeit rasch erledigen!«
    Aber sie lehnte ab, sie sei bald fertig; wenn sie das nicht mache, würde sie halt was anderes machen müssen: könne man denn faulenzen? Wenn sie auch schon um vier Uhr aufstand und abends noch bei der Kerze nähte, niemals fand sie ein Ende.
    Um sie nicht zu verstimmen, war er in den Schatten des in der Nähe stehenden Pflaumenbaums gegangen und achtete darauf, daß er sich nicht auf Jules setzte. Er schaute ihr zu, wie sie sich von neuem bückte, die Arschbacken hochhielt und an ihrem Rock zog, der wieder hochrutschte und ihre dicken Beine entblößte, während

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