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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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ausgesucht, um mit Lise allein zu sein. Aber ein mißlicher Zufall brachte ihn zunächst aus der Fassung: die Frimat, die sich als gefällige Nachbarin eingeführt hatte, half gerade der jungen Frau in der Küche beim Wäschespülen. Am Abend vorher hatten die beiden Schwestern die Wäsche eingeweicht. Seit dem Morgen kochte das Aschewasser, das Schwertlilienwurzeln wohlduftend machten, in einem Kessel, der an dem Haken über einem hellen Pappelholzfeuer hing. Und mit nackten Armen und hochgeschürztem Rock schöpfte Lise, die mit einem gelben Tontopf bewaffnet war, von diesem Wasser, goß es auf die Wäsche, mit der das Waschfaß angefüllt war: unten die Laken, dann die Wischtücher, die Hemden und darauf wiederum Laken. Die Frimat war nicht zu viel nütze, sie plauderte und beschränkte sich darauf, alle fünf Minuten den Eimer, der unter dem Zuber stand und das ständig von der Wäsche abtropfende Wasser auffing, wegzunehmen und in den Kessel zu entleeren.
    Jean geduldete sich und hoffte, daß sie gehen würde. Sie brach nicht auf, sprach von ihrem armen Mann, dem Gelähmten, der nur noch eine Hand rühren konnte. Das war ein großes Unglück. Reich waren sie nie gewesen; aber als er noch arbeitete, pachtete er Land zum Bewirtschaften, während sie nun viel Mühe hatte, ganz allein den Arpent zu bestellen, der ihnen gehörte; und sie rackerte sich ab, sammelte für den Mist die Pferdeäppel von den Landstraßen, weil sie kein Vieh hatten, pflegte sorgfältig ihre Salatköpfe, ihre Bohnen, ihre Erbsen, goß sogar ihre drei Pflaumenbäume und ihre beiden Aprikosenbäume, wirtschaftete schließlich beachtlich viel aus diesem Arpent heraus, so daß sie jeden Sonnabend zum Markt nach Cloyes ging, gebückt unter der Last der beiden riesigen Körbe, das Grobgemüse nicht mitgerechnet, das ein Nachbar für sie in seinem Wägelchen mitnahm. Vor allem zur Obstzeit kam sie selten von dort ohne zwei oder drei Hundertsousstücke zurück. Aber unausgesetzt jammerte sie, daß sie keinen Mist hatte: weder die Pferdeäppel noch der Dreck von den paar Kaninchen und den paar Hühnern, die sie großzog, gaben ihr genug. Es war mit ihr dahin gekommen, daß sie sich alles dessen bediente, was ihr Alter und sie machten, dieses so verachteten menschlichen Dungs, der sogar auf dem Lande Ekel erregt. Man hatte es erfahren, man zog sie damit auf. Man nannte sie Mutter Kacke, und dieser Spitzname schadete ihr auf dem Markt. Bürgerfrauen hatten sich von ihren Mohrrüben und ihren prachtvollen Kohlköpfen abgewandt und Brechreiz bekommen, so angewidert waren sie. Trotz ihrer großen Sanftmut brachte sie das außer sich.
    »Na, sagt mir mal, Korporal, ist das denn vernünftig? – Ist es denn nicht gestattet, alles zu verwenden, was uns der liebe Gott beschert? Und dann, als ob der Dreck von Tieren sauberer ist! – Nein, das ist Neid, man will mir nicht wohl in Rognes, weil das Gemüse bei mir kräftiger wächst ... Sagt mal, Korporal, ekelt Ihr Euch davor?«
    Verlegen antwortete Jean:
    »Appetit macht mir das freilich nicht sehr ... Man ist das nicht gewöhnt, vielleicht ist das bloß Einbildung.«
    Diese Freimütigkeit machte die alte Frau untröstlich. Sie war sonst eigentlich kein Klatschweib, aber nun konnte sie ihre Verbitterung nicht zurückhalten.
    »Das ist ja gut, die haben Euch schon gegen mich aufgehetzt ... Ach, wenn Ihr wüßtet, wie bösartig die sind, wenn Ihr ahntet, was die von Euch reden!« Und sie packte aus, was in Rognes über den jungen Mann geklatscht wurde. Zunächst habe man ihn verabscheut, weil er Arbeiter war, weil er sägte und hobelte, anstatt die Erde zu pflügen. Als er sich dann hinter den Pflug gestellt hatte, habe man ihn beschuldigt, er komme in eine Gegend, aus der er nicht stamme, um den andern das Brot wegzuessen. Wußte man denn, wo er herstammte? Hatte er auch wirklich nicht bei sich zu Hause irgend etwas Schlimmes angestellt, daß er bloß nicht wagte, dahin zurückzukehren? Und man spionierte seine Beziehungen zur Cognette aus, man sagte, sie würden eines Abends zu zweit Vater Hourdequin einen Schlaftrunk geben, um ihn zu bestehlen.
    »Oh, das Gesindel!« murmelte Jean, bleich vor Entrüstung.
    Lise, die einen Topf kochende Waschlauge aus dem Kessel schöpfte, fing an zu lachen, als der Name der Cognette fiel, den sie selber mitunter aussprach, bloß um ihn aufzuziehen.
    »Und da ich schon mal begonnen habe, rede ich besser gleich zu Ende«, fuhr die Frimat fort. »Na schön! Es gibt keine

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