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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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beim Weggehen wieder, er hatte sich bei den beiden Kühen schlafen gelegt.
    Die Große hielt immer noch am längsten durch. Um Mitternacht stürzte sie sich in der stummen Verzweiflung, es nicht mehr schaffen zu können, wie wild auf das Kleingebäck. Man hatte die Cremeschüsseln ausgewischt, die Krümel des Hefekuchens weggefegt. Und je trunkener sie wurden, desto mehr ließen sie sich gehen, mit aufgegangenen Miederhäkchen und gelösten Hosenschnallen wechselten sie die Plätze, plauderten in kleinen Gruppen rings um den Tisch, der fettig von Soße und fleckig vom Wein war. Einige Versuche, Lieder zu singen, hatten zu nichts geführt, allein die alte Rose trällerte mit ihrem tränenüberströmten Gesicht weiter ein anzügliches Scherzlied aus dem vorigen Jahrhundert mit einem Kehrreim aus ihrer Jugendzeit, zu dem ihr wackelnder Kopf den Takt angab. Sie waren zu wenige, um zu tanzen, die Männer leerten lieber die Literflaschen Schnaps und rauchten dabei ihre Pfeifen, die sie auf dem Tischtuch ausklopften, um die Tabaksreste daraus zu entfernen. In einer Ecke berechneten Fanny und Delhomme vor Jean und Tron fast auf den Sou genau, wie es um die finanzielle Lage der Neuvermählten bestellt sein würde und was sie noch zu erhoffen hatten; das dauerte unendlich, jeder Quadratzentimeter Boden wurde geschätzt, sie kannten alle Vermögen von Rognes, sogar die Summen, die in der Wäsche steckten. Am anderen Ende hatte sich Jacqueline Herrn Charles' bemächtigt, den sie mit einem unwiderstehlichen Lächeln betrachtete; ihre hübschen geilen Augen funkelten vor Neugierde. Sie fragte ihn aus:
    »In Chartres geht's also spaßig zu? Ist denn da viel los?«
    Und er antwortete mit einer Lobeshymne auf den »Stadtrundgang«, die mit alten Bäumen bestandenen Promenaden, die um Chartres einen Gürtel schattigen Laubs ziehen. Vor allem unten längs des Eure waren die Boulevards sehr kühl im Sommer. Dann war da die Kathedrale; als gut unterrichteter Mann, der die Religion achtete, ließ er sich aus über die Kathedrale. Ja, eines der schönsten Baudenkmäler, zu geräumig geworden für diese Zeit der schlechten Christen, fast immer leer inmitten ihres verödeten Vorplatzes, den wochentags allein Schatten von Betschwestern überquerten; und diese Traurigkeit des großen Verfalls hatte er an einem Sonntag gespürt, da er während der Vesper kurz hineingegangen war: man bibberte drinnen vor Kälte, man konnte drinnen wegen der Kirchenfenster kaum sehen, so daß er sich erst hatte an das Dunkel gewöhnen müssen, bevor er zwei Mädchenpensionate unterscheiden konnte, die dort, verloren wie eine Handvoll Ameisen, mit schriller Flötenstimme unter den Gewölben sangen. Ach, wirklich, das machte einem das Herz beklommen, daß man wegen der Schenken so die Kirchen im Stich ließ!
    Erstaunt schaute Jacqueline ihn weiter starr an mit ihrem Lächeln. Schließlich flüsterte sie:
    »Aber, sagen Sie mal, die Frauen, in Chartres ...«
    Er begriff, wurde sehr ernst, schüttete jedoch sein Herz aus, weil auch ihn die allgemeine Besäufnis mitteilungsbedürftig machte.
    Sie war sehr rosig, schauerte unter leisem Gekicher und kuschelte sich an ihn, um gleichsam einzugehen in dieses Mysterium eines allabendlichen Männergalopps.
    Aber das war nicht so, wie sie geglaubt hatte; er erzählte ihr von harter Arbeit, denn er wurde durch den Weinrausch schwermütig und väterlich. Dann lebte er wieder auf, als sie ihm sagte, daß sie sich den Spaß gemacht habe und, um sich das mal anzusehen, vor dem Haus in Châteaudun an der Ecke der Rue Davignon und der Rue Loiseau vorbeigegangen sei, einem baufälligen Häuschen mit geschlossenen und halb verfaulten Fensterläden. Hinten in einem schlecht gepflegten Garten spiegelte eine große Glaskugel die Fassade wider, während vor der Luke am Dachgiebel, den man in einen Taubenschlag verwandelt hatte, Tauben umherflogen und in der Sonne gurrten. An diesem Tage spielten Kinder auf der Stufe an der Tür, und über die Mauer der benachbarten Kavalleriekaserne hinweg hörte man die Kommandos. Er unterbrach sie, ließ sich hinreißen. Ja, ja! Er kenne das Haus, zwei widerwärtige und abgerackerte Weiber, nicht mal Spiegel in den unteren Räumen. Solche Spelunken, die brächten das Gewerbe in Verruf.
    »Aber was kann man schon verlangen in einer Unterpräfekturstadt?« sagte er, schließlich ruhiger geworden, mit der nachsichtigen Weltweisheit eines überlegenen Mannes.
    Es war ein Uhr morgens, man sprach vom

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