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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Galopp eines Ungetüms daherraste, dahinter dann die ausgeweideten Ernten, ein Kielwasser von drei Kilometer Breite, alles zertrampelt, zerbrochen, weggeschoren. Seine Landstücke hatten nicht gelitten, er beklagte das Unheil der anderen und grinste dabei vor heimlicher Freude. Und je mehr das Getreide emporwuchs, um so größer wurde sein Vergnügen. Schon war das graue Inselchen eines Dorfes am Horizont hinter dem ansteigenden Wasserspiegel des Grüns verschwunden. Es blieben nur noch die Dächer von La Borderie, die dann auch überflutet wurden. Eine Mühle mit ihren Flügeln blieb allein übrig wie ein Wrack. Überall Getreide, das hereinbrechende, über die Ufer tretende, die Erde mit seiner grünen Unendlichkeit bedeckende Getreidemeer.
    »Ach, Himmelsakrament!« sagte er jeden Abend, wenn er sich an den Tisch setzte. »Falls der Sommer nicht zu trocken ist, werden wir immerhin Brot haben.«
    Bei Geierkopfs hatte man sich eingerichtet. Die Ehegatten hatten die große Stube unten genommen, und Françoise begnügte sich mit der darüberliegenden ehemaligen Kammer von Vater Fliege, die gescheuert und mit einem Gurtbett, einer alten Kommode, einem Tisch und zwei Stühlen möbliert war. Sie befaßte sich mit den Kühen, führte ihr Leben von einst. In jenem Frieden schlummerte jedoch der Keim künftigen Streits, die Frage der Teilung zwischen den beiden Schwestern, die in der Schwebe geblieben war. Am Tage nach der Hochzeit der Älteren hatte der alte Fouan, der Vormund der Jüngeren, darauf bestanden, daß diese Teilung stattfinde, um später jeden Ärger zu vermeiden. Aber Geierkopf hatte laut Einspruch erhoben. Wozu? Françoise war zu jung, sie brauchte ihre Erde nicht. Hatte sich denn irgend etwas geändert? Sie lebte bei ihrer Schwester wie vorher, man ernährte sie, man kleidete sie; kurzum, sie konnte sich nicht beklagen, bestimmt nicht. Bei all diesen Gründen schüttelte der Alte den Kopf; man wisse niemals, was komme, das beste sei, man erledige alles, wie es sich gehöre; und das junge Mädchen selber bestand darauf, wollte sein Teil kennen, war bereit, ihn dann der Pflege des Schwagers zu überlassen. Dieser trug allerdings mit seiner gutmütigen, hartnäckigen und spöttischen Schroffheit den Sieg davon. Man redete nicht mehr davon, und überall stellte er die Freude darüber zur Schau, daß sie im Familienkreise so gut miteinander auskamen.
    »Man muß sich eben gut vertragen, ich kenne das nicht anders!«
    Tatsächlich hatte es nach Ablauf der ersten zehn Monate noch keinen Streit zwischen den beiden Schwestern und auch keinen zwischen dem Ehepaar gegeben, als die Dinge langsam eine Wendung zum Schlechten nahmen. Das begann mit verdrießlicher Stimmung. Man schmollte miteinander, es kam dadurch zu harten Worten; und darunter wütete weiter der Gärstoff des Mein und Dein und verdarb nach und nach die Freundschaft.
    Gewiß, Lise und Françoise schwärmten sich nicht mehr an, ihre große zärtliche Liebe von einst war dahin. Nun traf sie niemand mehr, wie sie, die Arme einander um die Hüfte gelegt, in dasselbe Umschlagetuch gehüllt, bei hereinbrechender Nacht spazierengingen. Man hatte sie gleichsam getrennt, Kälte wuchs zwischen ihnen. Seitdem ein Mann da war, schien es Françoise, als nehme man ihr ihre Schwester. Sie, die früher alles teilte mit Lise, teilte mit ihr nicht diesen Mann; und so war er das Fremde, das Hindernis geworden, das ihr das Herz ihrer Schwester versperrte, darin sie einst allein gelebt. Sie ging fort, ohne ihre Schwester zu küssen, wenn Geierkopf sie küßte, und war gekränkt, als habe jemand aus ihrem Glas getrunken. In Fragen des Eigentums behielt sie ihre Kindervorstellungen und war sie von außerordentlicher Leidenschaftlichkeit: das da gehört mir, das da gehört dir. Und da ihre Schwester von nun an einem anderen gehörte, ließ sie von ihr ab, aber sie wollte, was ihr gehörte, die Hälfte der Erde und des Hauses.
    Françoises Zorn hatte noch eine andere Ursache, die sie selber nicht hätte nennen können. Bis dahin hatte das Haus, das durch Vater Flieges Witwerschaft zu Eis erstarrt war und in dem nicht geliebt wurde, für sie nichts Verwirrendes gehabt. Und da wohnte nun ein Mannsstück darin, ein rohes Mannsstück, das gewohnt war, den Mädchen unten in den Gräben die Röcke hochzuheben, und dessen Gejuxe die Wände erschütterte und dessen Keuchen durch die Ritzen im Holzwerk drang. Sie kannte das alles, weil sie durch die Tiere darüber Bescheid wußte, sie

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