Die Erdfresserin
noch in der Wärme ihres ungastlichen Schoßes versenken zu können, sie auseinanderzuziehen, einen verborgenen Weg zu suchen. Vielleicht wurde sein Atem schneller und ihrer leiser, als ob sie sich vor ihm zurückziehen würde, in dem Ausmaß, in dem er in sie hineinwuchs. Ich stelle mir vor, wie es wohl war, als er ihr mich einpflanzte, und später meine Schwester, zwei kleine Homunkuli schwebend im rötlichen Halbdunkel, versehen mit seinem Zeichen auf der Stirn, und wie viele vor uns wohl als blutige Klumpen aus ihrem kühlen Leib gestoßen wurden. Ob sie sich wohl daran freute, leer geblieben zu sein, erleichtert, ihn nur für sich zu haben, erleichtert, sich selbst nicht mit anderen teilen zu müssen. Sie fürchtete wohl, es sei zu wenig da für mehrere. Ich wusste später, sie hatte recht damit.
Noch später wusste ich auch, wie es anders geht, wie man sich lockert, wie Erde gut gepflügt wird, in die nichts fällt, was sie nicht brauchen kann, wie man atmet, damit der Zuhörer Freude daran hat, wie man die Luft entweichen lässt, dass es nach Gesang klingt, wie man die Hüften schwingt, um den Tanz abzukürzen.
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
»Sie geben an, das erste Mal hätte man Sie vor einem Jahr aufgegriffen.«
»Das ist richtig.«
7
Der Beamte packt mich am Oberarm und schüttelt mich durch, meine Lacktasche rutscht von meiner Schulter und fällt auf den Boden. Er hat einen Schnurrbart und ein ausgeprägtes Doppelkinn, seine Beine schließen konisch an seinen Rumpf an, er trägt eine Brille, die Mütze hat er während unseres Gerangels ebenfalls verloren.
»Ist schon gut«, sage ich trocken und geschäftlich. »Lassen Sie mich los.«
Er wischt sich den Schweiß von der Oberlippe, mit der anderen Hand fixiert er immer noch meine offene Bluse, unter der der schwarze BH hervorleuchtet. Zwei Knöpfe sind gleich am Beginn der Amtshandlung abgesprungen. Ich zucke mit einer Schulter, da der andere Arm festgeschraubt ist in seiner Pranke. Sein Atem geht schwer. Mein Buch liegt immer noch zwischen uns.
»Welche Sprache?«, fragt er, sobald er wieder Luft bekommt.
»Russisch«, sage ich, »lassen Sie mich jetzt los, bitte?«
Er setzt sich auf das Kaffeehaustischchen, das hinter uns steht, sein Hintern bedeckt augenblicklich fast die ganze Marmorfläche der Steinplatte. Mein Cocktailglas liegt in mehreren Scherben verteilt zu unseren Füßen, klebrige rote Flüssigkeit am Boden. Etwas weiter rote Tröpfchen, die wie Hänsels und Gretels Brotkrumenspur direkt ins Klo führen, auf dem das Männchen dargestellt ist.
Der Rettungswagen malt draußen schönes blaues Licht auf das Schaufenster des Ladens und auf den Asphalt der Straße. Er seufzt. Ich hebe mit eleganter Bewegung seine Dienstkappe auf, schiebe sie mir schief auf den Hinterkopf, fühle mich wie Kim Basinger, lächle ihn kokett an.
»Er hat angefangen.«
»Das war ein glatter Nasenbeinbruch. Schwere Körperverletzung sozusagen.«
»Er hat angefangen«, wiederhole ich stur.
»Er ist hier geboren.«
Ich öffne die Bluse noch ein wenig weiter. Er weicht mir aus. Er schaut mich nicht an, er hebt mein Buch auf und stopft es ungeschickt in meine Tasche.
»Tatsache ist, Sie sind bei einer illegalen Tätigkeit aufgegriffen worden.«
»Bitte, das wenigstens müssen Sie nicht zu Protokoll nehmen …«
Sex zieht nicht, es ist so weit, dass Sex nicht mehr zieht. Diese Gedanken kann ich mir später quälend durch den Kopf gehen lassen, nicht jetzt, jetzt gilt das Gesetz des Handelns, das kein Zögern duldet. Ich beginne leise und herzerweichend zu weinen. In meinem Bewusstsein rasen Bilder der Abschiebung, des mühseligen Wegs zurück, Bilder meines Sohnes, der seine Arzneien nicht mehr bekommt, von einem Tag auf den anderen. Das hilft. Ich wirke wirklich elend und ganz furchtbar arm.
Die Gäste, die aus dem Lokal geflohen sind, als die Funkstreife vorfuhr, beginnen zaghaft wieder zurückzukommen, jedenfalls jene, denen die Aufnahme ihrer Personalien nicht schadet. Von draußen sieht ein neugieriges Schnapsnasengesicht hinein, ob inländisch oder nicht, lässt sich aus der Entfernung nicht sagen, die Haut ist zwar dunkel, der Gamsbart aber echt.
Slavko schüttelt kaum merklich den Kopf hinter der Theke. Er trägt seinen roten Jogginganzug, wie immer am Sonntag. Rot ist die Farbe der Schönheit, erklärt er mir. Krasno. Krasno bedeutet sowohl schön als auch rot auf Altrussisch. Am Tage des Herrn soll man
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